Gedichte Passauer Distichen

Als ins fallende Laub vor zwanzig säuselnden Jahren
Herbst dich bettete bunt, rief er die Göttinnen all:
Seht von der letzten Libelle umschwärmt das schmächtige Menschlein!
Eine Göttin wie ihr – nur noch schleierverhüllt.

Und sie traten herzu und sahn die blonde Beseelung
Unter den Schleiern, die herbstlich die Spinne gewebt.
Eine nur senkte den Blick und hob die Hand und zerriss das
Leichte Gewebe: es war Venus. Sie segnete dich.

* * *

Dass wir einander in seliger Ruhe geniessen durften,
Dankten wir himmlisch erfreut nur dem christlichen Gott.
Fromm und feierlich wir schritten von Kirche zu Kirche,
Und im dämmrigen Gang fand sich Lippe zu Mund.
Und im Beichtstuhle fand sich Brust zu bebenden Brüsten,
Und im Herzschlag schlug dröhnend die Glocke vom Turm.

* * *

Unter blühenden Kirschen im mächtig sprossenden Grase
Liegen die Liebste und ich. Schatten breitet der Baum
Über das grüne Bett mit weissen Blüten durchmustert.
Blüten mit leichter Hand schüttelt der Frühling herab.
Doch von des Mädchens Lippe pflück ich die süssesten Früchte,
Fällt ihr ein Blatt auf den Mund, küss ich es zärtlich hinweg.
Also ein gütig Geschick uns Herbst und Frühling vereinte:
Schwebt die Blüte vom Baum, reift auf dem Mund sie zur Frucht.

* * *

Wo der Flüsse drei sich ineinander ergiessen,
Standen wir liebend gelehnt, sahn in die jagende Flut.
Drei ward eins. Ich fasste fester die Hand dir und dachte:
Du und ich – und das Kind. Also dreieinig auch wir.


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