Gedichte Einladung aufs Land

an Tirsis

im November

Der Westwind fliehet Flur und Weiden,
Die jezt verblühn,
O Tirsis sollen Scherz und Freuden
Mit ihm entfliehn?

Nein der Orcane wildes Blasen
Die um mein Gut
Jezt heulend, ausgeschlossen, rasen,
Hemmt nicht den Muth.

Komm mit mir in der öden Fluren
Bereiftes Gras,
Verfolg mit mir des Wildes Spuren
Im Wald von Glas.

Und hör des Hains Gewölbe schallen,
Wenns Horn erwacht.
Und sieh von hohen Bergen fallen
Die schnelle Jagd.

Denn eil in meine Wohnung wieder
Müd‘ aus dem Hain,
Und singe mit mir süsse Lieder
Bey frohem Wein.

Und Chloris die durch ihre Saiten
Dirs Herz entwandt,
Soll Lalagens Gesang begleiten
Mit kluger Hand.

Sieh hin! Die Sterne sind erschienen
Und Luna winkt,
Sie streiten gleichsam, wer von ihnen
Am besten blinkt.

Den Scherz mit Küssen zu verschwistern
Und fern vom Neid,
Den langen Abend zu verflüstern
Ists jetzo Zeit.

Komm! Laß uns unsern Geist erheitern.
Wen Gold ergözt,
Mag in der Fluth am Felsen scheitern,
Der sich entsezt.

Ruhm, Reichthum, Pracht des Hofs Beschwerde
Vom Volk verehrt,
Ist Wahn, und nicht des Herrn der Erde
Des Weisen werth.


1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars (1 votes, average: 5,00 out of 5)

Gedichte Einladung aufs Land - Kleist