Gedichte Kastraten und Männer

Ich bin ein Mann! – wer ist es mehr?
Wers sagen kann, der springe
Frei unter Gottes Sonn einher
Und hüpfe hoch und singe!

Zu Gottes schönem Ebenbild
Kann ich den Stempel zeigen,
Zum Born, woraus der Himmel quillt,
Darf ich hinunter steigen.

Und wohl mir, daß ichs darf und kann!
Gehts Mädchen mir vorüber,
Rufts laut in mir: Du bist ein Mann!
Und küsse sie so lieber.

Und röter wird das Mädchen dann,
Und ’s Mieder wird ihr enge –
Das Mädchen weißt, ich bin ein Mann,
Drum wird ihr ’s Mieder enge.

Wie wird sie erst um Gnade schrein,
Ertapp ich sie im Bade?
Ich bin ein Mann, das fällt ihr ein,
Wie schrie sie sonst um Gnade?

Ich bin ein Mann, mit diesem Wort,
Begegn‘ ich ihr alleine,
Jag ich des Kaisers Tochter fort,
So lumpicht ich erscheine.

Und dieses goldne Wörtchen macht
Mir manche Fürstin holde,
Mich ruft sie – habt indessen Wacht,
Ihr Buben dort im Golde!

Ich bin ein Mann, das könnt ihr schon
An meiner Leier riechen,
Sie donnert wie im Sturm davon,
Sonst würde sie ja kriechen.

Zum Feuergeist im Rückenmark
Sagt meine Mannheit: Bruder.
Und herrschen beide löwenstark
Umarmend an dem Ruder.

Aus eben diesem Schöpferfluß,
Woraus wir Menschen sprudeln;
Quillt Götterkraft und Genius,
Nur leere Pfeifen dudeln.

Tyrannen haßt mein Talisman
Und schmettert sie zu Boden,
Und kann ers nicht, führt er die Bahn
Freiwillig zu den Toten.

Pompejen hat mein Talisman
Bei Pharsalus bezwungen,
Roms Wollüstlinge Mann für Mann
Auf teutschen Sand gerungen.

Saht ihr den Römer stolz und kraus
In Afrika dort sitzen?
Sein Aug speit Feuerflammen aus
Als säht ihr Hekla blitzen.

Da kommt ein Bube wohlgemut,
Gibt manches zu verstehen –
„Sprich, du hättst auf Karthagos Schutt
Den Marius gesehen!“ –

So spricht der stolze Römersmann,
Der Bub tät fürbaß eilen;
Das dankt der stolze Römersmann,
Das dankt er seinen Pfeilen!

Drauf täten seine Enkel sich
Ihr Erbteil gar abdrehen,
Und huben jedermänniglich
Anmutig an zu krähen. –

O Pfui und Pfui und wieder Pfui
Den Elenden! – sie haben
Verlüderlicht in einem Hui
Des Himmels beste Gaben,

Dem lieben Herrgott sündiglich
Sein Konterfei verhunzet
Und in die Menschheit schweiniglich
Von diesem Nu gegrunzet,

Und schlendern elend durch die Welt,
Wie Kürbisse von Buben
Zu Menschenköpfen ausgehöhlt,
Die Schädel leere Stuben!

Wie Wein, von einem Chemikus
Durch die Retort‘ getrieben:
Zum Teufel ist der Spiritus,
Das Phlegma ist geblieben.

Und fliehen jedes Weibsgesicht,
Und zittern, es zu sehen, –
Und dörften sie – und können nicht!
Da möchten sie vergehen! –

Und wenn das blonde Seidenhaar,
Und wenn die Kugelwaden,
Wenn lüstern Mund und Augenpaar
Zum Lustgenusse laden,

Und zehenmal das Halstuch fällt,
Und aus den losen Schlingen,
Halbkugeln einer bessern Welt,
Die vollen Brüste springen, –

Führt gar der höllsche Schadenfroh
Sie hin, wo Nymphen baden,
Daß ihre Herzen lichterloh
Von diebschen Flammen braten,

Wo ihrem Blick der Spiegelfluß
Elysium entziffert,
Arkana, die kein Genius
Dem Aug je bloß geliefert,

Und Ja! die tollen Wünsche schrein,
Und Nein! die Sinne brummen –
O Tantal! stell dein Murren ein!
Du bist noch gut durchkommen! –

Kein kühler Tropfen in den Brand!
Das heiß ich auch beteufeln!
Gefühl ist ihnen Kontreband,
Sonst müssen sie verzweifeln!

Drum fliehn sie jeden Ehrenmann,
Sein Glück wird sie betrüben –
Wer keinen Menschen machen kann,
Der kann auch keinen lieben.

Drum tret ich frei und stolz einher
Und brüste mich und singe:
Ich bin ein Mann! – Wer ist es mehr?
Der hüpfe hoch und springe.


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Gedichte Kastraten und Männer - Schiller