Gedichte Des Kaisers Segen

Ich bin die ganze Nacht hindurch
Den Rhein hinaufgeschritten,
Von Drachenfels und Wolkenburg,
Bis wo die Linzer schnitten.

Bei Rhöndorf unterm Drachenloch
Anband sein Boot der Ferge;
Zu Honnef sang ein Mädchen noch:
„Stand ich auf hohem Berge.“

In Breitbach stellte mich die Wacht,
In Unkel trank man Neuen.
In Erpel schlug es Mitternacht.
In Erpel vor der Leyen.

Und hinter Erpel in dem Feld,
Da ist er mir begegnet,
Der große Karl, der Frankenheld,
Der seine Trauben segnet.

Er ging mit ernstem Angesicht
In seinen Grabgewanden;
Er ging einher in Glanz und Licht,
Zum Segnen auferstanden.

Und um ihn sangen Reb‘ und Moos,
Dazu die Felsenblöcke:
„Er segnet nicht im Rheingau bloß
Die stolzen Herrenstöcke!

Er feit nicht bloß am Oberrhein
Des Fürstenwinzers Messer;
Er macht den Großen nicht allein
Und Reichen volle Fässer!

Er denkt auch an den irdnen Krug
In strohgedeckten Hütten,
Und schüttet Most und Wein genug
In armer Halfen Bütten.

Er weiß: der echte Feuertrank
Springt leider nur den Fürsten,
Und friert das Volk und liegt es krank,
So muß es nach ihm dürsten!

Doch labt und stärkt es noch zur Frist
Der Segen herbrer Reiser;
Und daß an dem kein Mangel ist –
Auch dafür sorgt der Kaiser!

Und darum wallt er feierlich
Stromunter durch die Stäbe,
Bis wo am allerletzten sich
Festrankt die letzte Rebe!

Der Kaiser weiß, was allen frommt,
Am ganzen grünen Strome!
Sanft ruh‘ er, bis er wiederkommt,
Zu Aachen in dem Dome!“

So raunt‘ es flüsternd durch die Nacht –
Der Schemen war verschwunden.
Ich habe durch die Ranken sacht
Nach Hause mich gefunden.
St. Goar, November 1843.


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