Gedichte Im Himmel

So ging es jüngst im Himmel zu: Der Alte Fritz sprang auf
Und rieb die Hände sich und schlug an seinen Degenknauf;
Er schritt im Himmel auf und ab und schaute grimmig drein
Und trat dann vor den Blücher hin und vor den Herrn von Stein.

Winkt‘ auch den Zieten noch heran, dazu den Winterfeldt;
Die haben mit dem Gneisenau alsbald sich eingestellt;
Imgleichen kamen der Schwerin, der Scharnhorst und der Keith,
Und all die großen Preußen sonst aus alt und neuer Zeit.

Und als er sie beisammen sah, da rief er: „Schwerenot!
Die Sache geht mir durch den Kopf! Was Teufel bin ich tot!
Was Teufel bin ich eben jetzt daheim nicht zu Berlin!
’s wär‘ wieder eine Zeit für mich! – Was – meint Er nicht, Schwerin?

Wie wollt‘ ich sie ergreifen! Ha – nicht mehr als Autokrat!
Nein, nein – ein ander Säkulum, ihr Herrn, ein ander Staat!
Goß ich doch selber aus ein Licht, zu flammend und zu klar,
Als daß ich kehren könnte ganz derselbe, der ich war!

Nein – was ich auch gewirkt, ihr Herrn, durch Beispiel und durch Wort,
Dazu die ganze große Zeit von Dreizehn und so fort –
Ein Unterbau nur wär‘ es jetzt (gewaltig zwar und breit!)
Drauf ich erhübe frischen Muts den Staat der neuen Zeit!

Der neuen Zeit, die andres will, als Eidbruch und Verrat!
Der neuen Zeit, die andres will, als Lug und Lügensaat!
Die endlich einmal mehr verlangt, als Schall und Rederei!
Die endlich einmal atmen will – aufatmen tief und frei!

Herr, dies betrogne deutsche Volk! – Und keiner, der es rächt!
Und keiner, der ihm schaffen mag sein vorenthaltnes Recht!
Der jeden Schwur, den man ihm brach, einfordert fest und kühn!
Der zornig mit dem Fuße tritt auf Karlsbad und auf Wien!

Ich tät’s! Einschlüg‘ ich mit der Faust dies Diplomatennetz!
‚Reichsstände! öffentlich Gericht! ein einig deutsch Gesetz!
Und überall das freie Wort!‘ – Bei Gott, so trät‘ ich hin!
Bei Gott dem Herrn, so schlüg‘ ich durch! – so wahr ich König bin!

’s würd‘ eine Bombe sein! Gleichviel! Ging’s auch ein Jahr lang kraus,
Ich brächt‘ es in die Richte schon, ich führt‘ es doch hinaus!
Und zög‘ ein Wetter auch heran, und würfe Keil auf Keil:
Ein König trotzt‘ ich Königen – zu meines Volkes Heil!

Und nach dem kurzen Wetter dann ein Land voll
Sonnenscheins!
Ein neues Deutschland, frei und stark: ein Deutschland, groß und eins!
Ja, nach dem Sturm die Iris dann auf fliehnder Wolken Grund!
Ein Bund der Fürsten mit dem Volk – ein rechter deutscher Bund!

Es ist das Volk ein edler Strom! Wer mutig ihm vertraut,
Wer hellen Auges unverzagt in seine Tiefen schaut,
Den hebt er freud’gen Schalls empor, den trägt er flott im Schoß –
Den Feigen und den Schwachen nur fortreißt er mitleidslos!

Mich höb‘ er schon, mich trüg‘ er schon! – Was, Blücher, hab‘ ich recht?
Ein Held des Volkes, mehr als je, durchschritt‘ ich dies Geschlecht;
Ging‘ ich zur Ruh‘ einst, allezeit gesegnet und erfleht!“ –
Die alten Herrn verneigten sich: „Ja – Sie auch, Majestät!“
St. Goar, Januar 1844.


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