Manfred (allein)
Der Zeit, des Schreckens Narren sind wir! Tage,
Bestehlend stehlen sie sich weg. Wir leben
In Lebens Überdruß, in Scheu des Todes.
In all den Tagen der verwünschten Posse –
Lebendige Last auf widerstrebendem Herzen,
In Sorgen stockt es, heftig schlägt’s in Pein,
Der Freud ein End ist Todeskampf und Ohnmacht -,
In all den Tagen, den vergangnen, künftigen –
Im Leben ist nichts Gegenwart – du zählst
Wie wenig: weniger als wenig, wo die Seele
Nicht nach dem Tod verlangt und doch zurück
Wie vor dem Winterstrome schreckt. Das Fröstlen
Wär nur ein Augenblick. – Ich hab ein Mittel
In meiner Wissenskraft: die Toten ruf ich
Und frage sie: Was ist denn, das wir fürchten?
Der Antwort ernsteste ist doch das Grab.
Und das ist nichts, antworten sie mir nicht –
Antwortete begrabner Priester Gottes
Dem Weib zu Endor! Spartas König zog
Aus griech’scher Jungfrau nie entschlafnem Geist
Antwort und Schicksal. Das Geliebteste
Hatt er gemordet, wußte nicht, wen er traf;
Starb ungesühnt. Wenn er auch schon zu Hülfe
Den milden Zeus berief, Phigaliens
Arkadische Beschwörer aufrief, zu gewinnen
Vom aufgebrachten Schatten sein Verzeihen,
Auch eine Grenze nur des Rächens. Die versetzte
Mit zweifelhaftem Wortsinn; doch erfüllt ward’s.
Und hätt ich nie gelebt! das, was ich liebe,
Wäre noch lebendig; hätt ich nie geliebt!
Das, was ich liebe, wär noch immer schön
Und glücklich, glückverspendend. Und was aber,
Was ist sie jetzt? Für meine Sünden büßte sie –
Ein Wesen? Denk es nicht – vielleicht ein Nichts.
In wenig Stunden frag ich nicht umsonst,
In dieser Stunde fürcht ich, wie ich trotze,
Bis diese Stunde schreckte mich kein Schauen
Der Geister, guter, böser. Zittr‘ ich nun?
Und fühl am Herzen fremden, kalten Tau!
Doch kann ich tun, was mich im Tiefsten widert,
Der Erde Schrecken ruf ich auf. – Eis nachtet!