Gedichte Heidenlied

„Der verfluchte Faffe weiß selbst nicht, was e wil; hol ihn der Deuffel!“
Friedrich der Große

Wie lebten doch die Heiden
So herrlich und so froh!
Das war ein Volk von Seiden,
Wir sind ein Volk von Stroh;
Entführt‘ ein Ochs ein schönes Kind
Zuweilen auch – doch glaubet mir:
Die Heiden waren nicht so blind,
Nicht halb so blind als wir.

Die Heiden, ’s ist doch schade
Um solch ingenium;
Sie hießen Vier gerade
Und nahmen Fünf für krumm;
Auch hatt‘ die Jungferschaft ein End‘,
Sobald die Magd ein Kind gebar,
Dieweil das N. T.
Noch nicht erfunden war.

Sie taten, was sie mochten,
Die Frechheit war enorm;
Sie siegten wenn sie fochten,
Auch ohne Uniform;
Sie hatten keine Polizei
Und tranken lieber Wein als Bier,
Wie waren doch die Heiden frei,
Die Heiden! – aber ihr?

Und von Achill und Hektor,
Wie’s im Homerus steht,
Bis zu dem letzten Rektor
Der Universität,
Da gab’s kein Buch in ganz Athen –
O schreckliche Verworfenheit!
Man wurde vom Spazierengehn
Und von der Luft gescheit.

Wie wußten sie die Tatzen
Den Pfaffen abzuhaun!
Die durften nur nach Spatzen,
Nicht nach den Weibern schaun;
Den Prinzen gar erging es schlecht,
Die fanden kaum ein Nachtquartier;
Wie hatten doch die Heiden recht,
Die Heiden! – aber ihr?

Die Heiden, ach! die Heiden,
Die keine Christen sind,
Sie spinnen doch die Seiden
Für manch ein Christenkind;
Drum lebe hoch das Heidenpack
Und jeder echte Heidenstrick,
Homerus mit dem Bettelsack
Und ihre Republick!


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