Gedichte Der CII. Psalm

Ein Gebet des Elenden / so er betrübt ist /
Und seine Klage vor dem HERRN außschüttet.

HERR / höre mein Gebet / und laß mein sehnlichs schreyen
Zu dir und vor dich ein. * Verbirge nicht vom newen
Dein Antlitz erst für mir. neig‘ / HERR / dein leises Ohr.
Vernimb / was in der Noth ich dir jetzt bringe vor.
Denn meine Tage sind / als wie ein Rauch / vergangen /
Der eh zerfleucht / als kömpt. die dürren Beine hangen /
Und sind gantz außgebrandt. * Mein Hertz‘ ist wund und matt /
Wie ein verschmachter Halm / der nicht mehr Nahrung hat.
Ich bin verduttet gantz / daß ich auch kan vergessen.
Das grawerliche Brot und eckle Kost zu essen.
Die Backen trucknen aus. die Schläffe fallen ein.
Ich bin durch steten Harm nur worden Haut und Bein.
Gleich als der Pelican im wüsten Rohre schreyet /
Und wie ein wilder Kautz / der sich zu machen schewet
Aus seiner öden statt. * gleich wie ein Vogel girrt /
Wenn ihm sein Ehgemahl vom Garn‘ erhaschet wird /
Der stets sein Einsamseyn rufft aus auff allen Bäwen /
So bin anjetzo ich. * Man schmäht mich stets vom newen.
So offt‘ es taget nur / so tritt mein Feind vor mich /
Kühlt seinen Muth an mir / und lästert trotziglich.
Ich bin sein Spott und Schwur. * Wo ist mein erstes tischen?
Asch‘ ess ich jetzt für Brot. mit Thränen muß ich mischen
Den ungeschmackten Tranck. * Weil du so zornig bist /
Und deine Dräwung mir das Marck und Seele frisst.
Du hubest mich empor hoch uber alle Grossen.
Wie hastu mich denn jetzt zu Boden so gestossen?
Mein gantzer Lebenslauff gleicht einem Schatten nur /
Der / wenn der Cörper weicht / verlesset keine Spur.
Bey zusehn schwind‘ ich ab. der Lenden Marck verrinnet.
Und ich dorr‘ aus / wie Graß / daß man am Warmen sönnet.
Was bin ich gegen dir / du starcker Zebaoth?
Du bleibest ewig HERR / und ohne wandel Gott /
Dich endert keine Zeit / du Herrscher aller Zeiten.
Dein‘ ist die Ewigkeit / du Printz der Ewigkeiten.
Wenn dieses Gantze denn die Glut wird äschern ein /
So wird doch für und für noch dein Gedächtnüß seyn.
Ach! mache dich doch auff / und hilff mir ärmsten Armen.
Wenn deines Sions Drangs du dich noch kanst erbarmen /
So mache dich doch auff. Jetzt ist es hohe Zeit /
Daß du ihr gnädig seyst / und werffest ab ihr Leid.
Die reiffe Stund‘ ist da. * Denn wir / wir deine Knechte /
Sehn gerne / daß einmal sie käme doch zu rechte.
Daß ihre Stein‘ und Kalck nur würden zugerichtt /
Daß man sie führet‘ auff. * Damit in deiner Pflicht
Das unbekehrte Wild / die Heyden möchten leben /
Und alle Könige dem Namen Ehre geben /
Der aller Ehren werth / * daß Zion sey erbawt /
Und daß man Gott allda in seiner Hochheit schawt.
Der Unterdrückten Wundsch / das außerpresste Flehen
Hört Er. lesst keinen Mann nicht Hülffloß von ihm gehen /
Der ihm nur trawen kan. Er wendet sich zu dir /
Verschmäht nicht / was du ihm in deiner Noth tregst für.
Das werd‘ in ewige Demanten eingegraben /
Was wir für einen Gott an unserm Gotte haben.
In Bücher müsse diß geschrieben werden ein /
Die keine Zeit befrisst / daß auch / die nach uns seyn /
Das ungebohrne Volck / den HERREN loben mügen /
Und sich vor dessen Macht und Ehre willig schmiegen /
Der von der heilgen Höh‘ auff dieses Tieffe schawt /
Daß er das arme Volck / das seiner Gnade trawt /
Und hart umbfässelt ist / aus seinen Ketten reisse /
Und den geschwornen Tod der Seufftzenden zerschmeisse.
Daß Zion predige / wie man Gott ehren soll‘ /
Und gantz Jerusalem sey seines Ruhmbes voll.
Wenn das bewohnte Rund / wenn alle Königreiche /
So dieser Boden helt / beisammen seyn zugleiche /
Und einen solchen Dienst dir werden stellen an /
Den nur das werthe Volck / das du liebst / leisten kan.
Er / dieser grosse HERR / erschöpffet meine Kräffte.
Und treibet offt‘ im Thun zu rücke mein Geschäffte /
Verkürtzet meine Tag‘. * Ich flehe stets an Ihn /
Nimb / mein Gott / mich doch nicht in besten Jahren hin /
Und wenn ich halb alt bin. * Du bist der Zeit Verwalter /
Doch ausser aller Zeit. du weisst von keinem Alter /
Bleibst immer / wer du bist. du gründetest vorhin
Der Erden grossen Punct. dein Weißheitreicher Sinn
Gab alle Himmel an. * Jedoch die festen Wercke
Und was zusammen zwingt der Elementen Stärcke /
Daß nichts nicht leer muß seyn / die werden untergehn /
Und du wirst unbewegt in deinen Kräfften stehn.
Sie werden allesampt durch letzten Sturm zerreissen /
Und wie ein alt Gewand und böses Kleid verschleissen.
JEHOVAH / aber du bleibst immer / wie du bist.
Umbschreibest dich durch dich. die Ewigkeit / HERR / ist
Bloß deines Endes Ziel. * Laß deiner Knechte Kinder
Auch bleiben stets vor dir. Ihr Same sey nichts minder /
Als unsrer Väter war / von dir gebenedeyt /
Und breche / wie vor Sie / durch alle böse Zeit.


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Gedichte Der CII. Psalm - Fleming