Gedichte Im Irrenhause

Nun noch in diese Kammer tritt –
Ein einzig Fenster gibt ihr Helle!
Starr, wie ein Steinbild von Granit,
Dasteht der Insaß dieser Zelle!
Dasteht er wie ein Toter schier –
Nichts, was ihn störte, was ihn weckte!
Sein gläsern Auge funkelt stier,
Wie Macbeths, als ihn Banquo schreckte!

Da jach kommt Leben in den Stein!
Er springt zurück – was muß er schauen?
Von wannen nur dringt auf ihn ein
Haarsträubend dieses wüste Grauen?
Er hält die Hände schirmend vor,
Als säh‘ er Schwerter oder Flammen;
Er schüttelt sich und heult empor
Und bricht mit Klagelaut zusammen!

Und ruft: „Hab‘ ich euch doch erdolcht!
Was braucht ihr fürder mich zu quälen?
Wer schickt euch, daß ihr mich verfolgt,
Blutrünstige Gedankenseelen?
Wer hat den Rückweg euch gebahnt
Aus eurem Nichts, ihr trotzigen Dinger,
Daß an die Schlachtzeit ihr mich mahnt,
Drin euch hineinwies dieser Finger?

Lautlos, wie Ähren, sankt ihr hin,
Legionenweis – ha, welch ein Mähen!
Nie kam mir damals in den Sinn,
Ihr könntet wieder auferstehen!
Hu – ob ihr’s könnt! Im Palast hier
Erfuhr ich’s, drin ich gern sonst wohne,
Seit ihn für treue Dienste mir
Anwies als Eigentum die Krone!

Ein prächt’ger Bau! Doch ganz und gar
Ein Spukhaus eben, will mich dünken!
Weh – eine zorn’ge Leichenschar,
Stürmt ihr heran, mein Blut zu trinken!
Anstürmt ihr, abgehetzt und bleich,
Doch auf den Stirnen Mut und Klarheit!
Zwei hohe Weiber führen euch –
Die Freiheit, glaub‘ ich, und die Wahrheit!

Ja doch, die sind’s! – Für sie ja quollt
Aus Schädeln ihr, tollkühnen, frechen!
Dreist ihr Gesetz habt ihr entrollt –
Und jetzt wollt ihr den Hals mir brechen!
Hohnlachend jetzt den Todestoß
Nach meinem Herzen wollt ihr führen –
Fort, ihr Gesindel, laßt mich los!
Ich will mit euch kapitulieren!

Ja – aber wie? – der Teufel weiß!
Halt – hab‘ ich euch denn nicht verboten?
Was denn umsteht ihr mich im Kreis?
Ihr seid ja tot! Fort zu den Toten!
Fort – hier bin ich im Recht – erlaubt –
Bückt euch – ich will euch nur zertreten!
Weh mir, ihr schüttelt ernst das Haupt!
Ihr sagt: Der Geist läßt sich nicht töten!

Der Geist? – nicht töten? – Ach, ich Tor!
Mir gleich, was sie für Reden führen!
Und doch – wer raunt mir denn ins Ohr:
Nicht töten, aber wohl verlieren! –
Ja so – den Geist – so mein‘ ich’s auch!
Wie ist mir denn? – ich steh‘ geschlagen!
Was kann ein armer Zensor auch
Dem Geiste nur vom Geiste sagen?

Ihr lacht, Gesindel? – Allesamt
Flugs in den Staub vor mir gesunken!
Hui da, was wollt ihr nur? – Verdammt!
Zu mächtig sind mir die Halunken!
Die Wahrheit schlägt mich ins Gesicht,
Die Freiheit bindet mir die Fäuste,
Anrasseln die Gedanken dicht.
Weh – wie geschieht mir – Fluch dem Geiste!

Nein, Gnade, Gnade! Los die Hand!
Los! O, wie viele waren härter
Als ich!“ – Er fliegt hinan die Wand –
Da faßt den Rasenden der Wärter.
Gebändigt hat ihn Jack‘ und Schnur,
Auf seinem Lager sieh ihn kauern!
Komm nun – er war ein Werkzeug nur!
Laß uns nicht richten – nur bedauern!
St. Goar, Januar 1844.


1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars (1 votes, average: 5,00 out of 5)

Gedichte Im Irrenhause - Freiligrath