Im May
Itzt wärmt der Lenz die flockenfreye Luft;
Der Himmel kann im Bach sich wieder spiegeln;
Den Schäfer labt der jungen Blumen Duft;
Sein Wollenvieh hüpft auf begrasten Hügeln.
Der Wolken Naß geronne jüngst zu Schnee;
Itzt blitzet es, trotz Demant, auf dem Klee.
Es steigt des Halms gekröntes Haupt herfür,
Und Zefir schwebt auf den schmaragdnen Wellen;
Die Wiese prangt mit Purpur und Saphir,
Ihr Kleid bebrämt das Silber reiner Quellen:
Die Liebe sucht der Wälder grüne Nacht,
Der Kummer flieht, die todte Welt erwacht.
Dort schläft der Hirt beym nahen Wasserfall,
Vom sanften Arm der Schäferinn umschlungen,
Die Lerche stimmt zur holden Nachtigall,
Die dieses Paar liebreizend eingesungen.
Ach fühlt ich doch, bey allgemeiner Lust,
Der Freude Reiz nur auch in dieser Brust.
Nein, nein, sie flieht, und ist mir längst entflohn;
Kein Lenz vermag mein ewig Leid zu mindern.
Ich bin der Quaal, ich bin des Unglücks Sohn;
Der Tod allein kann meinen Kummer lindern;
Denn Doris bleibt, o Schmerz! von mir entfernt,
Von der ich noch die Lust zur Welt gelernt.
Als jüngst mein Blut aus tiefen Wunden drang,
Was hemmtest du den Strohm der Lebensfluthen?
Verhängniß! da ich nicht ums Leben rang:
Mußt ich, o Pein! mich nicht zu Tode bluten;
Damit ich mich, von schmeichelhaftem Wahn
Und Lieb entfleischt, zu Tode weinen kann.
Entwichnes Glück, das selten Weise schätzt,
Ich suchte dich; du bliebest mir entzogen.
Die Liebe hat mir Flügel angesetzt,
Umsonst, du bist doch nicht von mir erflogen.
Nein! Doris soll die meine nimmer seyn,
Du, Wankelmuth, dieß macht dein Zorn allein.
O! zeigte doch des großen Friedrichs Chor
Den Heldenarm der Feinde starkem Haufen:
Ich schwänge mich alsdann vielleicht empor,
Ich wollte sie mit meinem Blut erkaufen.
Wie würd es nicht vor Ruhm und Liebe glühn,
Und diese Faust dem Tod entgegen ziehn!
Umsonst, das Glück ist wider mich empört,
Mir ist noch nie, was ich gewünscht, gelungen.
Sie hält mich wohl nicht mehr der Treue werth;
Vielleicht hat mich ein andrer ausgedrungen;
Ein andrer, der mit langen Titeln prahlt,
Und dessen Leib von Gold und Demant stralt.
Ihr Träume! wo sie Eid und Treue bricht:
So zeiget ihr, bey tausend Schreckenbildern,
Mein thränend Aug, mein blasses Angesicht;
Die Furie müßt ihr zur Seite schildern.
Gewissen, auf! erheb dein Schlangenhaupt,
Nag‘ ihre Brust, die mir das Leben raubt!
Zwar, Doris, du verdienst ein größer Glück;
Ich bin zu schlecht, die Tugend zu belohnen.
Man sieht an dir der Schöpfung Meisterstück;
Dein edler Geist beglänzte Königskronen:
Und tausend, die der Würde Hoheit ziert,
Erhöben dich, von deinem Reiz gerührt.
Doch dieses Volk, das Ehr und Purpur schmückt,
Ist oftmals leer an Geist und wahrer Liebe;
Ich habe nichts, das Aug und Sinn entzückt,
Jedoch ein Herz voll edelmüthger Triebe;
Ein Herz, das nie der Unbestand verletzt,
Ein Herz, das dich mehr als den Erdkreis schätzt.
Verhängniß sprich, ich soll ein Cäsar seyn,
Ja ohne sie auf tausend Welten tronen:
Der Niedern Stolz mag dieses Glück erfreun.
Ich will vergnügt mit ihr in Hütten wohnen;
Die Liebe macht den Schaub der Hütten reich,
Den Most zu Wein und harte Fluren weich.
O goldne Zeit! da noch des Goldes Wust
Verachtet ward, was flohst du von der Erden?
Ich ruhete gewiß an Doris Brust,
Könntst du durch Flehn zurückgerufen werden.
Ach! komm zurück, doch gönne mir dabey,
Daß neben mir mein Gleim ein Schäfer sey.
Du hörst mich nicht, Verhängniß! ja ich soll,
Ich soll ein Ball des falschen Glückes bleiben.
So höre du, o Tod, nimm deinen Zoll!
Soll nur dein Pfeil die Glücklichen entleiben?
Hier ist die Brust, eröffne mir das Herz,
Ich halte Stand, ich fürchte keinen Schmerz.
Ja, dort, wo man dich durch die Luft einhaucht,
Bey Gräbern und in schreckenvollen Gründen,
Dort, wo der Feind das Schwerdt in Feinde taucht,
Da will ich dich, im Fall du säumest, finden.
Doch soll auch da mein Wunsch vergebens seyn:
So stürze schnell der Bau des Himmels ein.