Gedichte Dem Kronprinzen von Bayern

Es schlummert längst mir im Heiligtum bildender Kraft
An dich, o Fürst, ein Gesang,
Dem vaterländischer Zukunft Bürgschaft verliehn das Geschick,
Der du selbst in der Brust die Glut melodischer Dichtung
Hegst, dem Vater gleich, und der Kunst tiefsinnige Meister liebst,
Die mit holdem Zepter das Volk, den Herrschenden ähnlich,
Lenken; aber Verständnis folgt
Oft erst dem beschwingten Klang zu Fuß nach.

Vor Allen foderte mich zu Liedspendungen auf
Das Wort des würdigen Freunds,
Der mir von frühester Kindheit stets hieß der treuste Genoß,
Aber nun an der Seite dir mit freundlichem Rat steht. –
Offen liegt ein mächtiges Feld vielkundigem Dichter, der
Deines Hauses Glanz und den tausendjährigen Ruhm wälzt;
Denn bereits Diademe trug
Dein Stamm in der sagendunklen Urzeit:

Als König waltete Garibald, hohen Geschlechts,
Im reichen Bojergefild
Weitherrschend einst, wo der Inn stolz hinwallt mit reißendem Zug,
Dem zuletzt in der Schlucht sich mischt der stilleren Donau
Ebner Flur entsprudelter Strom. Aufnährte das schönste Pfand
Garibald, der lieblichen Tochter bräutliche Schönheit:
Theudelinden umwarb indes
Hochsinniger Fürstensöhne Schwarm rings.

Es wirbt der fränkische Childebert. Autharis auch,
Der longobardische Fürst,
Hoch ragt er unter der Mehrzahl siegskühner Freier empor
Der das wehende Banner aufgepflanzt an der Spitze
Rhegiums, (getrennt von der fruchtbarn Wurzel des Ätnabergs
Durch der Skylla Hundegebell und kochenden Meerschwall).
Doch Pavia verläßt der Fürst,
Nordwärts, an der Etsch, den Strom hinauf zieht

Er wohlgemut, in der Brust den sehnsüchtigen Wunsch. Verkappt in Botengestalt
Sieht Bojoarien ihn. Schon tritt aus dem Frauengemach
Theudelinde, geführt von Garibald, und dem Fremdling
Beut sie gar, der Sitte gemäß, Willkomm in dem Festpokal:
Als das Glas empfing der vermummte Fürst von der Jungfrau,
Ihr die Hand mit gelindem Druck
Rührt sanft er und seufzt: O Theudelinda!

Geringer scheint die verschwiegne Schmach, Allen entrückt:
Die kluge Schöne verbirgt,
Blaß zwar vor Schrecken, des Gastfreunds Wagstück ins tiefe Gemüt.
König Autharis freit, in Königs Autharis Namen,
Jene nun, und gerne gewährt, huldreich, die erwählte Braut
Garibald. Es giebt das Geleit dem werbenden Fremdling
Schlanke, boische Heldenschar
Durchs Alpengebürg ins süße Welschland,

Wo Phöbus früher die Traube reift, Jünglingen auch
Die Schläfe männlicher bräunt.
Als auf der steinigen Grenzmark abschiedlich boten den Gruß
Wechselseits der Geführte selbst und Die, so geführt ihn,
Schwang das Beil der reisige Held kraftvoll in behender Faust;
Tief im Stamme wurzelt es fest des mächtigen Ahorns:
Solche Streiche, wie der, vermag
Bloß Autharis auszuteilen, rief er,

Und kenntlich Allen entschwand der gelblockige Fürst.
Es reichte darauf dem Gemahl
Bald Theudelinde den Brautring. Stets trügt jedoch des Geschicks
Gunst die Sterblichen, sein sie niedrig oder an Macht groß:
Authars Blume welkte dahin frühzeitig an schnödem Gift,
Das der Nebenbuhler, ein Sohn der tückischen Brunhild
Jenem sendete, Childebert;
Doch pflegte des Reichs die Bojoarin.

Sie trug den seltenen Schatz der Weisheit im Gemüt,
Es dient‘ Italien ihr.
Oftmals begründeten Fraun manch herrschaftsgewaltiges Reich,
Weil dem Männergeschlecht an klugem Sinn sie voranstehn:
(Wohl bezeugt’s der späteren Zeit England und Elisabeth,
Kämpfe nahm die Tochter des sechsten Karls mit der Welt auf,
Moskowitische Geißel schwang
Siegreich die entmenschte Messalina.)

Die longobardische Königin teilte dem Volk
Gerechte Satzungen aus,
(Heilvoll ergänzt des Naturtriebs Wildheit das weise Gesetz,
Das der Blüte des Menschengeistes herbere Frucht ist)
Während rings der Menge sie kundtun ließ des Erlösers Wort:
Endlich schickt Gregorius ihr, der heilige Welthirt,
Jene Krone von Eisen zu,
Nachwachsender Helden höchstes Kleinod.

Es fliehn in rascher Geburt die Weltlose dahin,
Es wechselt Leben und Grab.
Uns nächste Zeiten, o Herr, sahn nochmals ein blühendes Weib,
Deines Stamms in dem Fürstenstuhl der mächtigen Ahnfrau:
Theudelinden glich sie an Form, reizvoll wie ein Strahl des Lichts,
Nicht an Glück. Es fallen des übermütigen Schicksals
Würfel tückisch und ungestüm,
Umwälzenden Tagen stürmt Gefahr nach;

Und wird zum Schwerte der Pflug, so bricht Königen selbst
Entzwei der güldene Reif.
Graunvoll zerstört der Gewalt Bergsturz rings die Fülle des Tals:
Wohl erfuhr’s die erhabene Frau, des fränkischen Ehbunds
Opfer, ja, die Tochter sogar, jenseitig des Ozeans
Eines Kaisers Braut an der palmenschattigen Meerbucht.
Doch im Munde des Dichters lebt
Gleichreizend und ewig Heil und Unheil.


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