(1899)
Da neigt sich die Stunde und rührt mich an
Mit klarem, metallenem Schlag:
Mir zittern die Sinne. Ich fühle: ich kann –
Und ich fasse den plastischen Tag.
Nichts war noch vollendet, eh ich es erschaut,
Ein jedes Werden stand still.
Meine Blicke sind reif, und wie eine Braut
Kommt jedem das Ding, das er will.
Nichts ist mir zu klein und ich lieb es trotzdem
Und mal es auf Goldgrund und groß,
Und halte es hoch, und ich weiß nicht wem
Löst es die Seele los…
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
Die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
Aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
Und ich kreise jahrtausendelang;
Und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
Oder ein großer Gesang.
Ich habe viele Brüder in Sutanen
Im Süden, wo in Klöstern Lorbeer steht.
Ich weiß, wie menschlich sie Madonnen planen,
Und träume oft von jungen Tizianen,
Durch die der Gott in Gluten geht.
Doch wie ich mich auch in mich selber neige:
Mein Gott ist dunkel und wie ein Gewebe
Von hundert Wurzeln, welche schweigsam trinken.
Nur, daß ich mich aus seiner Wärme hebe,
Mehr weiß ich nicht, weil alle meine Zweige
Tief unten ruhn und nur im Winde winken.
Wir dürfen dich nicht eigenmächtig malen,
Du Dämmernde, aus der der Morgen stieg.
Wir holen aus den alten Farbenschalen
Die gleichen Striche und die gleichen Strahlen,
Mit denen dich der Heilige verschwieg.
Wir bauen Bilder vor dir auf wie Wände;
So daß schon tausend Mauern um dich stehn.
Denn dich verhüllen unsre frommen Hände,
Sooft dich unsre Herzen offen sehn.
Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden,
In welchen meine Sinne sich vertiefen;
In ihnen hab ich, wie in alten Briefen,
Mein täglich Leben schon gelebt gefunden
Und wie Legende weit und überwunden.
Aus ihnen kommt mir Wissen, daß ich Raum
Zu einem zweiten zeitlos breiten Leben habe.
Und manchmal bin ich wie der Baum,
Der, reif und rauschend, über einem Grabe
Den Traum erfüllt, den der vergangne Knabe
(um den sich seine warmen Wurzeln drängen)
Verlor in Traurigkeiten und Gesängen.
Du, Nachbar Gott, wenn ich dich manchesmal
In langer Nacht mit hartem Klopfen störe, –
So ists, weil ich dich selten atmen höre
Und weiß: Du bist allein im Saal.
Und wenn du etwas brauchst, ist keiner da,
Um deinem Tasten einen Trank zu reichen:
Ich horche immer. Gieb ein kleines Zeichen.
Ich bin ganz nah.
Nur eine schmale Wand ist zwischen uns,
Durch Zufall; denn es könnte sein:
Ein Rufen deines oder meines Munds –
Und sie bricht ein
Ganz ohne Lärm und Laut.
Aus deinen Bildern ist sie aufgebaut.
Und deine Bilder stehn vor dir wie Namen.
Und wenn einmal das Licht in mir entbrennt,
Mit welchem meine Tiefe dich erkennt,
Vergeudet sichs als Glanz auf ihren Rahmen.
Und meine Sinne, welche schnell erlahmen,
Sind ohne Heimat und von dir getrennt.
Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.
Wenn das Zufällige und Ungefähre
Verstummte und das nachbarliche Lachen,
Wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,
Mich nicht so sehr verhinderte am Wachen -:
Dann könnte ich in einem tausendfachen
Gedanken bis an deinen Rand dich denken
Und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),
Um dich an alles Leben zu verschenken
Wie einen Dank.
Ich lebe grad, da das Jahrhundert geht.
Man fühlt den Wind von einem großen Blatt,
Das Gott und du und ich beschrieben hat
Und das sich hoch in fremden Händen dreht.
Man fühlt den Glanz von einer neuen Seite,
Auf der noch Alles werden kann.
Die stillen Kräfte prüfen ihre Breite
Und sehn einander dunkel an.
Ich lese es heraus aus deinem Wort,
Aus der Geschichte der Gebärden,
Mit welchen deine Hände um das Werden
Sich ründeten, begrenzend, warm und weise.
Du sagtest leben laut und sterben leise
Und wiederholtest immer wieder: Sein.
Doch vor dem ersten Tode kam der Mord.
Da ging ein Riß durch deine reifen Kreise
Und ging ein Schrein
Und riß die Stimmen fort,
Die eben erst sich sammelten
Um dich zu sagen,
Um dich zu tragen
Alles Abgrunds Brücke –
Und was sie seither stammelten,
Sind Stücke
Deines alten Namens.
Der blasse Abelknabe spricht:
Ich bin nicht. Der Bruder hat mir was getan,
Was meine Augen nicht sahn.
Er hat mir das Licht verhängt.
Er hat mein Gesicht verdrängt
Mit seinem Gesicht.
Er ist jetzt allein.
Ich denke, er muß noch sein.
Denn ihm tut niemand, wie er mir getan.
Es gingen alle meine Bahn,
Kommen alle vor seinen Zorn,
Gehen alle an ihm verloren.
Ich glaube, mein großer Bruder wacht
Wie ein Gericht.
An mich hat die Nacht gedacht;
An ihn nicht.
Du Dunkelheit, aus der ich stamme,
Ich liebe dich mehr als die Flamme,
Welche die Welt begrenzt,
Indem sie glänzt
Für irgend einen Kreis,
Aus dem heraus kein Wesen von ihr weiß.
Aber die Dunkelheit hält alles an sich:
Gestalten und Flammen, Tiere und mich,
Wie sie’s errafft,
Menschen und Mächte –
Und es kann sein: eine große Kraft
Rührt sich in meiner Nachbarschaft.
Ich glaube an Nächte.
Ich glaube an Alles noch nie Gesagte.
Ich will meine frömmsten Gefühle befrein.
Was noch keiner zu wollen wagte,
Wird mir einmal unwillkürlich sein.
Ist das vermessen, mein Gott, vergieb.
Aber ich will dir damit nur sagen:
Meine beste Kraft soll sein wie ein Trieb,
So ohne Zürnen und ohne Zagen;
So haben dich ja die Kinder lieb.
Mit diesem Hinfluten, mit diesem Münden
In breiten Armen ins offene Meer,
Mit dieser wachsenden Wiederkehr
Will ich dich bekennen, will ich dich verkünden
Wie keiner vorher.
Und ist das Hoffahrt, so laß mich hoffährtig sein
Für mein Gebet,
Das so ernst und allein
Vor deiner wolkigen Stirne steht.
Ich bin auf der Welt zu allein und doch nicht allein genug,
Um jede Stunde zu weihn.
Ich bin auf der Welt zu gering und doch nicht klein genug,
Um vor dir zu sein wie ein Ding,
Dunkel und klug.
Ich will meinen Willen und will meinen Willen begleiten
Die Wege zur Tat;
Und will in stillen, irgendwie zögernden Zeiten,
Wenn etwas naht,
Unter den Wissenden sein
Oder allein.
Ich will dich immer spiegeln in ganzer Gestalt,
Und will niemals blind sein oder zu alt
Um dein schweres schwankendes Bild zu halten.
Ich will mich entfalten.
Nirgends will ich gebogen bleiben,
Denn dort bin ich gelogen, wo ich gebogen bin.
Und ich will meinen Sinn
Wahr vor dir. Ich will mich beschreiben
Wie ein Bild das ich sah,
Lange und nah,
Wie ein Wort, das ich begriff,
Wie meinen täglichen Krug,
Wie meiner Mutter Gesicht,
Wie ein Schiff,
Das mich trug
Durch den tödlichsten Sturm.
Du siehst, ich will viel.
Vielleicht will ich Alles:
Das Dunkel jedes unendlichen Falles
Und jedes Steigens lichtzitterndes Spiel.
Es leben so viele und wollen nichts,
Und sind durch ihres leichten Gerichts
Glatte Gefühle gefürstet.
Aber du freust dich jedes Gesichts,
Das dient und dürstet.
Du freust dich Aller, die dich gebrauchen
Wie ein Gerät.
Noch bist du nicht kalt, und es ist nicht zu spät,
In deine werdenden Tiefen zu tauchen,
Wo sich das Leben ruhig verrät.
Wir bauen an dir mit zitternden Händen
Und wir türmen Atom auf Atom.
Aber wer kann dich vollenden,
Du Dom.
Was ist Rom?
Es zerfällt.
Was ist die Welt?
Sie wird zerschlagen
Eh deine Türme Kuppeln tragen,
Eh aus Meilen von Mosaik
Deine strahlende Stirne stieg.
Aber manchmal im Traum
Kann ich deinen Raum
Überschaun,
Tief vom Beginne
Bis zu des Daches goldenem Grate.
Und ich seh: meine Sinne
Bilden und baun
Die letzten Zierate.
Daraus, daß Einer dich einmal gewollt hat,
Weiß ich, daß wir dich wollen dürfen.
Wenn wir auch alle Tiefen verwürfen:
Wenn ein Gebirge Gold hat
Und keiner mehr es ergraben mag,
Trägt es einmal der Fluß zutag,
Der in die Stille der Steine greift,
Der vollen.
Auch wenn wir nicht wollen:
Gott reift.
Wer seines Lebens viele Widersinne
Versöhnt und dankbar in ein Sinnbild faßt,
Der drängt
Die Lärmenden aus dem Palast,
Wird anders festlich, und du bist der Gast,
Den er an sanften Abenden empfängt.
Du bist der Zweite seiner Einsamkeit,
Die ruhige Mitte seinen Monologen;
Und jeder Kreis, um dich gezogen,
Spannt ihm den Zirkel aus der Zeit.
Was irren meine Hände in den Pinseln?
Wenn ich dich male, Gott, du merkst es kaum.
Ich fühle dich. An meiner Sinne Saum
Beginnst du zögernd, wie mit vielen Inseln,
Und deinen Augen, welche niemals blinseln,
Bin ich der Raum.
Du bist nicht mehr inmitten deines Glanzes,
Wo alle Linien des Engeltanzes
Die Fernen dir verbrauchen wie Musik, –
Du wohnst in deinem allerletzten Haus.
Dein ganzer Himmel horcht in mich hinaus,
Weil ich mich sinnend dir verschwieg.
Ich bin, du Ängstlicher. Hörst du mich nicht
Mit allen meinen Sinnen an dir branden?
Meine Gefühle, welche Flügel fanden,
Umkreisen weiß dein Angesicht.
Siehst du nicht meine Seele, wie sie dicht
Vor dir in einem Kleid aus Stille steht?
Reift nicht mein mailiches Gebet
An deinem Blicke wie an einem Baum?
Wenn du der Träumer bist, bin ich dein Traum.
Doch wenn du wachen willst, bin ich dein Wille
Und werde mächtig aller Herrlichkeit
Und ründe mich wie eine Sternenstille
Über der wunderlichen Stadt der Zeit.
Mein Leben ist nicht diese steile Stunde,
Darin du mich so eilen siehst.
Ich bin ein Baum vor meinem Hintergrunde,
Ich bin nur einer meiner vielen Munde
Und jener, welcher sich am frühsten schließt.
Ich bin die Ruhe zwischen zweien Tönen,
Die sich nur schlecht aneinander gewöhnen:
Denn der Ton Tod will sich erhöhn –
Aber im dunklen Intervall versöhnen
Sich beide zitternd.
Und das Lied bleibt schön.
Wenn ich gewachsen wäre irgendwo,
Wo leichtere Tage sind und schlanke Stunden,
Ich hätte dir ein großes Fest erfunden,
Und meine Hände hielten dich nicht so,
Wie sie dich manchmal halten, bang und hart.
Dort hätte ich gewagt, dich zu vergeuden,
Du grenzenlose Gegenwart.
Wie einen Ball
Hätt ich dich in alle wogenden Freuden
Hineingeschleudert, daß einer dich finge
Und deinem Fall
Mit hohen Händen entgegenspringe,
Du Ding der Dinge.
Ich hätte dich wie eine Klinge
Blitzen lassen.
Vom goldensten Ringe
Ließ ich dein Feuer umfassen,
Und er müßte mirs halten
Über die weißeste Hand.
Gemalt hätt ich dich: nicht an die Wand,
An den Himmel selber von Rand zu Rand,
Und hätt dich gebildet, wie ein Gigant
Dich bilden würde: als Berg, als Brand,
Als Samum, wachsend aus Wüstensand –
Oder
Es kann auch sein: ich fand
Dich einmal…
Meine Freunde sind weit,
Ich höre kaum noch ihr Lachen schallen;
Und du: du bist aus dem Nest gefallen,
Bist ein junger Vogel mit gelben Krallen
Und großen Augen und tust mir leid.
(Meine Hand ist dir viel zu breit.)
Und ich heb mit dem Finger vom Quell einen Tropfen
Und lausche, ob du ihn lechzend langst,
Und ich fühle dein Herz und meines klopfen
Und beide aus Angst.
Ich finde dich in allen diesen Dingen,
Denen ich gut und wie ein Bruder bin;
Als Samen sonnst du dich in den geringen
Und in den großen giebst du groß dich hin.
Das ist das wundersame Spiel der Kräfte,
Daß sie so dienend durch die Dinge gehn:
In Wurzeln wachsend, schwindend in die Schäfte
Und in den Wipfeln wie ein Auferstehn.
Stimme eines jungen Bruders
Ich verrinne, ich verrinne
Wie Sand, der durch Finger rinnt.
Ich habe auf einmal so viele Sinne,
Die alle anders durstig sind.
Ich fühle mich an hundert Stellen
Schwellen und schmerzen.
Aber am meisten mitten im Herzen.
Ich möchte sterben. Laß mich allein.
Ich glaube, es wird mir gelingen,
So bange zu sein,
Daß mir die Pulse zerspringen.
Sieh, Gott, es kommt ein Neuer an dir bauen,
Der gestern noch ein Knabe war; von Frauen
Sind seine Hände noch zusammgefügt
Zu einem Falten, welches halb schon lügt.
Denn seine Rechte will schon von der Linken,
Um sich zu wehren oder um zu winken
Und um am Arm allein zu sein.
Noch gestern war die Stirne wie ein Stein
Im Bach, geründet von den Tagen,
Die nichts bedeuten als ein Wellenschlagen
Und nichts verlangen, als ein Bild zu tragen
Von Himmeln, die der Zufall drüber hängt;
Heut drängt
Auf ihr sich eine Weltgeschichte
Vor einem unerbittlichen Gerichte,
Und sie versinkt in seinem Urteilsspruch.
Raum wird auf einem neuen Angesichte.
Es war kein Licht vor diesem Lichte,
Und, wie noch nie, beginnt dein Buch.
Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz,
An dem wir reiften, da wir mit ihm rangen;
Du großes Heimweh, das wir nicht bezwangen,
Du Wald, aus dem wir nie hinausgegangen,
Du Lied, das wir mit jedem Schweigen sangen,
Du dunkles Netz,
Darin sich flüchtend die Gefühle fangen.
Du hast dich so unendlich groß begonnen
An jenem Tage, da du uns begannst, –
Und wir sind so gereift in deinen Sonnen,
So breit geworden und so tief gepflanzt,
Daß du in Menschen, Engeln und Madonnen
Dich ruhend jetzt vollenden kannst.
Laß deine Hand am Hang der Himmel ruhn
Und dulde stumm, was wir dir dunkel tun.
Werkleute sind wir: Knappen, Jünger, Meister,
Und bauen dich, du hohes Mittelschiff.
Und manchmal kommt ein ernster Hergereister,
Geht wie ein Glanz durch unsre hundert Geister
Und zeigt uns zitternd einen neuen Griff.
Wir steigen in die wiegenden Gerüste,
In unsern Händen hängt der Hammer schwer,
Bis eine Stunde uns die Stirnen küßte,
Die strahlend und als ob sie Alles wüßte
Von dir kommt, wie der Wind vom Meer.
Dann ist ein Hallen von dem vielen Hämmern
Und durch die Berge geht es Stoß um Stoß.
Erst wenn es dunkelt lassen wir dich los:
Und deine kommenden Konturen dämmern.
Gott, du bist groß.
Du bist so groß, daß ich schon nicht mehr bin,
Wenn ich mich nur in deine Nähe stelle.
Du bist so dunkel; meine kleine Helle
An deinem Saum hat keinen Sinn.
Dein Wille geht wie eine Welle
Und jeder Tag ertrinkt darin.
Nur meine Sehnsucht ragt dir bis ans Kinn
Und steht vor dir wie aller Engel größter:
Ein fremder, bleicher und noch unerlöster,
Und hält dir seine Flügel hin.
Er will nicht mehr den uferlosen Flug,
An dem die Monde blaß vorüberschwammen,
Und von den Welten weiß er längst genug.
Mit seinen Flügeln will er wie mit Flammen
Vor deinem schattigen Gesichte stehn
Und will bei ihrem weißen Scheine sehn,
Ob deine grauen Brauen ihn verdammen.
So viele Engel suchen dich im Lichte
Und stoßen mit den Stirnen nach den Sternen
Und wollen dich aus jedem Glanze lernen.
Mir aber ist, sooft ich von dir dichte,
Daß sie mit abgewendetem Gesichte
Von deines Mantels Falten sich entfernen.
Denn du warst selber nur ein Gast des Golds.
Nur einer Zeit zuliebe, die dich flehte
In ihre klaren marmornen Gebete,
Erschienst du wie der König der Komete,
Auf deiner Stirne Strahlenströme stolz.
Du kehrtest heim, da jene Zeit zerschmolz.
Ganz dunkel ist dein Mund, von dem ich wehte,
Und deine Hände sind von Ebenholz.
Das waren Tage Michelangelo’s,
Von denen ich in fremden Büchern las.
Das war der Mann, der über einem Maß,
Gigantengroß,
Die Unermeßlichkeit vergaß.
Das war der Mann, der immer wiederkehrt,
Wenn eine Zeit noch einmal ihren Wert,
Da sie sich enden will, zusammenfaßt.
Da hebt noch einer ihre ganze Last
Und wirft sie in den Abgrund seiner Brust.
Die vor ihm hatten Leid und Lust;
Er aber fühlt nur noch des Lebens Masse
Und daß er Alles wie ein Ding umfasse, –
Nur Gott bleibt über seinem Willen weit:
Da liebt er ihn mit seinem hohen Hasse
Für diese Unerreichbarkeit.
Der Ast vom Baume Gott, der über Italien reicht,
Hat schon geblüht.
Er hätte vielleicht
Sich schon gerne, mit Früchten gefüllt, verfrüht,
Doch er wurde mitten im Blühen müd,
Und er wird keine Früchte haben.
Nur der Frühling Gottes war dort,
Nur sein Sohn, das Wort,
Vollendete sich.
Es wendete sich
Alle Kraft zu dem strahlenden Knaben.
Alle kamen mit Gaben
Zu ihm;
Alle sangen wie Cherubim
Seinen Preis.
Und er duftete leis
Als Rose der Rosen.
Er war ein Kreis
Um die Heimatlosen.
Er ging in Mänteln und Metamorphosen
Durch alle steigenden Stimmen der Zeit.
Da ward auch die zur Frucht Erweckte,
Die schüchterne und schönerschreckte,
Die heimgesuchte Magd geliebt.
Die Blühende, die Unentdeckte,
In der es hundert Wege giebt.
Da ließen sie sie gehn und schweben
Und treiben mit dem jungen Jahr;
Ihr dienendes Marien-Leben
Ward königlich und wunderbar.
Wie feiertägliches Geläute
Ging es durch alle Häuser groß;
Und die einst mädchenhaft Zerstreute
War so versenkt in ihren Schooß
Und so erfüllt von jenem Einen
Und so für Tausende genug,
Daß alles schien, sie zu bescheinen,
Die wie ein Weinberg war und trug.
Aber als hätte die Last der Fruchtgehänge
Und der Verfall der Säulen und Bogengänge
Und der Abgesang der Gesänge
Sie beschwert,
Hat die Jungfrau sich in anderen Stunden,
Wie von Größerem noch unentbunden,
Kommenden Wunden
Zugekehrt.
Ihre Hände, die sich lautlos lösten,
Liegen leer.
Wehe, sie gebar noch nicht den Größten.
Und die Engel, die nicht trösten,
Stehen fremd und furchtbar um sie her.
So hat man sie gemalt; vor allem Einer,
Der seine Sehnsucht aus der Sonne trug.
Ihm reifte sie aus allen Rätseln reiner,
Aber im Leiden immer allgemeiner:
Sein ganzes Leben war er wie ein Weiner,
Dem sich das Weinen in die Hände schlug.
Er ist der schönste Schleier ihrer Schmerzen,
Der sich an ihre wehen Lippen schmiegt,
Sich über ihnen fast zum Lächeln biegt –
Und von dem Licht aus sieben Engelskerzen
Wird sein Geheimnis nicht besiegt.
Mit einem Ast, der jenem niemals glich,
Wird Gott, der Baum, auch einmal sommerlich
Verkündend werden und aus Reife rauschen;
In einem Lande, wo die Menschen lauschen,
Wo jeder ähnlich einsam ist wie ich.
Denn nur dem Einsamen wird offenbart,
Und vielen Einsamen der gleichen Art
Wird mehr gegeben als dem schmalen Einen.
Denn jedem wird ein andrer Gott erscheinen,
Bis sie erkennen, nah am Weinen,
Daß durch ihr meilenweites Meinen,
Durch ihr Vernehmen und Verneinen,
Verschieden nur in hundert Seinen
Ein Gott wie eine Welle geht.
Das ist das endlichste Gebet,
Das dann die Sehenden sich sagen:
Die Wurzel Gott hat Frucht getragen,
Geht hin, die Glocken zu zerschlagen;
Wir kommen zu den stillern Tagen,
In denen reif die Stunde steht.
Die Wurzel Gott hat Frucht getragen.
Seid ernst und seht.
Ich kann nicht glauben, daß der kleine Tod,
Dem wir doch täglich übern Scheitel schauen,
Uns eine Sorge bleibt und eine Not.
Ich kann nicht glauben, daß er ernsthaft droht;
Ich lebe noch, ich habe Zeit zu bauen:
Mein Blut ist länger als die Rosen rot.
Mein Sinn ist tiefer als das witzige Spiel
Mit unsrer Furcht, darin er sich gefällt.
Ich bin die Welt,
Aus der er irrend fiel.
Wie er
Kreisende Mönche wandern so umher;
Man fürchtet sich vor ihrer Wiederkehr,
Man weiß nicht: ist es jedesmal derselbe,
Sinds zwei, sinds zehn, sinds tausend oder mehr?
Man kennt nur diese fremde gelbe Hand,
Die sich ausstreckt so nackt und nah –
Da da:
Als käm sie aus dem eigenen Gewand.
Was wirst du tun, Gott, wenn ich sterbe?
Ich bin dein Krug (wenn ich zerscherbe?)
Ich bin dein Trank (wenn ich verderbe?)
Bin dein Gewand und dein Gewerbe,
Mit mir verlierst du deinen Sinn.
Nach mir hast du kein Haus, darin
Dich Worte, nah und warm, begrüßen.
Es fällt von deinen müden Füßen
Die Samtsandale, die ich bin.
Dein großer Mantel läßt dich los.
Dein Blick, den ich mit meiner Wange
Warm, wie mit einem Pfühl, empfange,
Wird kommen, wird mich suchen, lange –
Und legt beim Sonnenuntergange
Sich fremden Steinen in den Schooß.
Was wirst du tun, Gott? Ich bin bange.
Du bist der raunende Verrußte,
Auf allen Öfen schläfst du breit.
Das Wissen ist nur in der Zeit.
Du bist der dunkle Unbewußte
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Du bist der Bittende und Bange,
Der aller Dinge Sinn beschwert.
Du bist die Silbe im Gesange,
Die immer zitternder im Zwange
Der starken Stimmen wiederkehrt.
Du hast dich anders nie gelehrt:
Denn du bist nicht der Schönumscharte,
Um welchen sich der Reichtum reiht.
Du bist der Schlichte, welcher sparte.
Du bist der Bauer mit dem Barte
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
An den jungen Bruder
Du, gestern Knabe, dem die Wirrnis kam:
Daß sich dein Blut in Blindheit nicht vergeude.
Du meinst nicht den Genuß, du meinst die Freude;
Du bist gebildet als ein Bräutigam,
Und deine Braut soll werden: deine Scham.
Die große Lust hat auch nach dir Verlangen,
Und alle Arme sind auf einmal nackt.
Auf frommen Bildern sind die bleichen Wangen
Von fremden Feuern überflackt;
Und deine Sinne sind wie viele Schlangen,
Die, von des Tones Rot umfangen,
Sich spannen in der Tamburine Takt.
Und plötzlich bist du ganz allein gelassen
Mit deinen Händen, die dich hassen –
Und wenn dein Wille nicht ein Wunder tut:
———-
Aber da gehen wie durch dunkle Gassen
Von Gott Gerüchte durch dein dunkles Blut.
An den jungen Bruder
Dann bete du, wie es dich dieser lehrt,
Der selber aus der Wirrnis wiederkehrt
Und so, daß er zu heiligen Gestalten,
Die alle ihres Wesens Würde halten,
In einer Kirche und auf goldnen Smalten
Die Schönheit malte, und sie hielt ein Schwert.
Er lehrt dich sagen:
Du mein tiefer Sinn,
Vertraue mir, daß ich dich nicht enttäusche;
In meinem Blute sind so viel Geräusche,
Ich aber weiß, daß ich aus Sehnsucht bin.
Ein großer Ernst bricht über mich herein.
In seinem Schatten ist das Leben kühl.
Ich bin zum erstenmal mit dir allein,
Du, mein Gefühl.
Du bist so mädchenhaft.
Es war ein Weib in meiner Nachbarschaft
Und winkte mir aus welkenden Gewändern.
Du aber sprichst mir von so fernen Ländern.
Und meine Kraft
Schaut nach den Hügelrändern.
Ich habe Hymnen, die ich schweige.
Es giebt ein Aufgerichtet sein,
Darin ich meine Sinne neige:
Du siebst mich groß und ich bin klein.
Du kannst mich dunkel unterscheiden
Von jenen Dingen, welche knien;
Sie sind wie Herden und sie weiden,
Ich bin der Hirt am Hang der Heiden,
Vor welchem sie zu Abend ziehn.
Dann komm ich hinter ihnen her
Und höre dumpf die dunklen Brücken,
Und in dem Rauch von ihren Rücken
Verbirgt sich meine Wiederkehr.
Gott, wie begreif ich deine Stunde,
Als du, daß sie im Raum sich runde,
Die Stimme vor dich hingestellt;
Dir war das Nichts wie eine Wunde,
Da kühltest du sie mit der Welt.
Jetzt heilt es leise unter uns.
Denn die Vergangenheiten tranken
Die vielen Fieber aus dem Kranken,
Wir fühlen schon in sanftem Schwanken
Den ruhigen Puls des Hintergrunds.
Wir liegen lindernd auf dem Nichts
Und wir verhüllen alle Risse;
Du aber wächst ins Ungewisse
Im Schatten deines Angesichts.
Alle, die ihre Hände regen
Nicht in der Zeit, der armen Stadt,
Alle, die sie an Leises legen,
An eine Stelle, fern den Wegen,
Die kaum noch einen Namen hat, –
Sprechen dich aus, du Alltagssegen,
Und sagen sanft auf einem Blatt:
Es giebt im Grunde nur Gebete,
So sind die Hände uns geweiht,
Daß sie nichts schufen, was nicht flehte;
Ob einer malte oder mähte,
Schon aus dem Ringen der Geräte
Entfaltete sich Frömmigkeit.
Die Zeit ist eine vielgestalte.
Wir hören manchmal von der Zeit,
Und tun das Ewige und Alte;
Wir wissen, daß uns Gott umwallte
Groß wie ein Bart und wie ein Kleid.
Wir sind wie Adern im Basalte
In Gottes harter Herrlichkeit.
Der Name ist uns wie ein Licht
Hart an die Stirn gestellt.
Da senkte sich mein Angesicht
Vor diesem zeitigen Gericht
Und sah (von dem es seither spricht)
Dich, großes dunkelndes Gewicht
An mir und an der Welt.
Du bogst mich langsam aus der Zeit,
In die ich schwankend stieg;
Ich neigte mich nach leisem Streit:
Jetzt dauert deine Dunkelheit
Um deinen sanften Sieg.
Jetzt hast du mich und weißt nicht wen,
Denn deine breiten Sinne sehn
Mir, daß ich dunkel ward.
Du hältst mich seltsam zart
Und horchst, wie meine Hände gehn
Durch deinen alten Bart.
Dein allererstes Wort war: Licht:
Da ward die Zeit. Dann schwiegst du lange.
Dein zweites Wort ward Mensch und bange
(wir dunkeln noch in seinem Klange)
Und wieder sinnt dein Angesicht.
Ich aber will dein drittes nicht.
Ich bete nachts oft: Sei der Stumme,
Der wachsend in Gebärden bleibt
Und den der Geist im Traume treibt,
Daß er des Schweigens schwere Summe
In Stirnen und Gebirge schreibt.
Sei du die Zuflucht vor dem Zorne,
Der das Unsagbare verstieß.
Es wurde Nacht im Paradies:
Sei du der Hüter mit dem Horne,
Und man erzählt nur, daß er blies.
Du kommst und gehst. Die Türen fallen
Viel sanfter zu, fast ohne Wehn.
Du bist der Leiseste von Allen,
Die durch die leisen Häuser gehn.
Man kann sich so an dich gewöhnen,
Daß man nicht aus dem Buche schaut,
Wenn seine Bilder sich verschönen,
Von deinem Schatten überblaut;
Weil dich die Dinge immer tönen,
Nur einmal leis und einmal laut.
Oft wenn ich dich in Sinnen sehe,
Verteilt sich deine Allgestalt:
Du gehst wie lauter lichte Rehe
Und ich bin dunkel und bin Wald.
Du bist ein Rad, an dem ich stehe:
Von deinen vielen dunklen Achsen
Wird immer wieder eine schwer
Und dreht sich näher zu mir her,
Und meine willigen Werke wachsen
Von Wiederkehr zu Wiederkehr.
Du bist der Tiefste, welcher ragte,
Der Taucher und der Türme Neid.
Du bist der Sanfte, der sich sagte,
Und doch: wenn dich ein Feiger fragte,
So schwelgtest du in Schweigsamkeit.
Du bist der Wald der Widersprüche.
Ich darf dich wiegen wie ein Kind,
Und doch vollziehn sich deine Flüche,
Die über Völkern furchtbar sind.
Dir ward das erste Buch geschrieben,
Das erste Bild versuchte dich,
Du warst im Leiden und im Lieben,
Dein Ernst war wie aus Erz getrieben
Auf jeder Stirn, die mit den sieben
Erfüllten Tagen dich verglich.
Du gingst in Tausenden verloren,
Und alle Opfer wurden kalt;
Bis du in hohen Kirchenchoren
Dich rührtest hinter goldnen Toren;
Und eine Bangnis, die geboren,
Umgürtete dich mit Gestalt.
Ich weiß: Du bist der Rätselhafte,
Um den die Zeit in Zögern stand.
O wie so schön ich dich erschaffte
In einer Stunde, die mich straffte,
In einer Hoffahrt meiner Hand.
Ich zeichnete viel ziere Risse,
Behorchte alle Hindernisse, –
Dann wurden mir die Pläne krank:
Es wirrten sich wie Dorngerank
Die Linien und die Ovale,
Bis tief in mir mit einem Male
Aus einem Griff ins Ungewisse
Die frommste aller Formen sprang.
Ich kann mein Werk nicht überschaun
Und fühle doch: es steht vollendet.
Aber, die Augen abgewendet,
Will ich es immer wieder baun.
So ist mein Tagwerk, über dem
Mein Schatten liegt wie eine Schale.
Und bin ich auch wie Laub und Lehm,
Sooft ich bete oder male
Ist Sonntag, und ich bin im Tale
Ein jubelndes Jerusalem.
Ich bin die stolze Stadt des Herrn
Und sage ihn mit hundert Zungen;
In mir ist Davids Dank verklungen:
Ich lag in Harfendämmerungen
Und atmete den Abendstern.
Nach Aufgang gehen meine Gassen.
Und bin ich lang vom Volk verlassen,
So ists: damit ich größer bin.
Ich höre jeden in mir schreiten
Und breite meine Einsamkeiten
Von Anbeginn zu Anbeginn.
Ihr vielen unbestürmten Städte,
Habt ihr euch nie den Feind ersehnt?
O daß er euch belagert hätte
Ein langes schwankendes Jahrzehnt.
Bis ihr ihn trostlos und in Trauern,
Bis daß ihr hungernd ihn ertrugt;
Er liegt wie Landschaft vor den Mauern,
Denn also weiß er auszudauern
Um jene, die er heimgesucht.
Schaut aus vom Rande eurer Dächer
Da lagert er und wird nicht matt
Und wird nicht weniger und schwächer
Und schickt nicht Droher und Versprecher
Und Überreder in die Stadt.
Er ist der große Mauerbrecher,
Der eine stumme Arbeit hat.
Ich komme aus meinen Schwingen heim,
Mit denen ich mich verlor.
Ich war Gesang, und Gott, der Reim,
Rauscht noch in meinem Ohr.
Ich werde wieder still und schlicht,
Und meine Stimme steht;
Es senkte sich mein Angesicht
Zu besserem Gebet.
Den andern war ich wie ein Wind,
Da ich sie rüttelnd rief.
Weit war ich, wo die Engel sind,
Hoch, wo das Licht in Nichts zerrinnt –
Gott aber dunkelt tief.
Die Engel sind das letzte Wehn
An seines Wipfels Saum;
Daß sie aus seinen Ästen gehn,
Ist ihnen wie ein Traum.
Sie glauben dort dem Lichte mehr
Als Gottes schwarzer Kraft,
Es flüchtete sich Lucifer
In ihre Nachbarschaft.
Er ist der Fürst im Land des Lichts,
Und seine Stirne steht
So steil am großen Glanz des Nichts,
Daß er, versengten Angesichts,
Nach Finsternissen fleht.
Er ist der helle Gott der Zeit,
Zu dem sie laut erwacht,
Und weil er oft in Schmerzen schreit
Und oft in Schmerzen lacht,
Glaubt sie an seine Seligkeit
Und hangt an seiner Macht.
Die Zeit ist wie ein welker Rand
An einem Buchenblatt.
Sie ist das glänzende Gewand,
Das Gott verworfen hat,
Als Er, der immer Tiefe war,
Ermüdete des Flugs
Und sich verbarg vor jedem Jahr,
Bis ihm sein wurzelhaftes Haar
Durch alle Dinge wuchs.
Du wirst nur mit der Tat erfaßt;
Mit Händen nur erhellt;
Ein jeder Sinn ist nur ein Gast
Und sehnt sich aus der Welt.
Ersonnen ist ein jeder Sinn,
Man fühlt den feinen Saum darin
Und daß ihn einer spann:
Du aber kommst und giebst dich hin
Und fällst den Flüchtling an.
Ich will nicht wissen, wo du bist,
Sprich mir aus überall.
Dein williger Euangelist
Verzeichnet alles und vergißt
Zu schauen nach dem Schall.
Ich geh doch immer auf dich zu
Mit meinem ganzen Gehn;
Denn wer bin ich und wer bist du,
Wenn wir uns nicht verstehn?
Mein Leben hat das gleiche Kleid und Haar
Wie aller alten Zaren Sterbestunde.
Die Macht entfremdete nur meinem Munde,
Doch meine Reiche, die ich schweigend runde,
Versammeln sich in meinem Hintergrunde
Und meine Sinne sind noch Gossudar.
Für sie ist beten immer noch: Erbauen,
Aus allen Maßen bauen, daß das Grauen
Fast wie die Größe wird und schön, –
Und: jedes Hinknien und Vertrauen
(daß es die andern nicht beschauen)
Mit vielen goldenen und blauen
Und bunten Kuppeln überhöhn.
Denn was sind Kirchen und sind Klöster
In ihrem Steigen und Erstehn
Als Harfen, tönende Vertröster,
Durch die die Hände Halberlöster
Vor Königen und Jungfraun gehn.
Und Gott befiehlt mir, daß ich schriebe:
Den Königen sei Grausamkeit.
Sie ist der Engel vor der Liebe,
Und ohne diesen Bogen bliebe
Mir keine Brücke in die Zeit.
Und Gott befiehlt mir, daß ich male:
Die Zeit ist mir mein tiefstes Weh,
So legte ich in ihre Schale:
Das wache Weib, die Wundenmale,
Den reichen Tod (daß er sie zahle),
Der Städte bange Bacchanale,
Den Wahnsinn und die Könige.
Und Gott befiehlt mir, daß ich baue:
Denn König bin ich von der Zeit.
Dir aber bin ich nur der graue
Mitwisser deiner Einsamkeit.
Und bin das Auge mit der Braue…
Das über meine Schulter schaue
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Es tauchten tausend Theologen
In deines Namens alte Nacht.
Jungfrauen sind zu dir erwacht,
Und Jünglinge in Silber zogen
Und schimmerten in dir, du Schlacht.
In deinen langen Bogengängen
Begegneten die Dichter sich
Und waren Könige von Klängen
Und mild und tief und meisterlich.
Du bist die sanfte Abendstunde,
Die alle Dichter ähnlich macht;
Du drängst dich dunkel in die Munde,
Und im Gefühl von einem Funde
Umgiebt ein jeder dich mit Pracht.
Dich heben hunderttausend Harfen
Wie Schwingen aus der Schweigsamkeit.
Und deine alten Winde warfen
Zu allen Dingen und Bedarfen
Den Hauch von deiner Herrlichkeit.
Die Dichter haben dich verstreut
(es ging ein Sturm durch alles Stammeln),
Ich aber will dich wieder sammeln
In dem Gefäß, das dich erfreut.
Ich wanderte in vielem Winde;
Da triebst du tausendmal darin.
Ich bringe alles was ich finde:
Als Becher brauchte dich der Blinde,
Sehr tief verbarg dich das Gesinde,
Der Bettler aber hielt dich hin;
Und manchmal war bei einem Kinde
Ein großes Stück von deinem Sinn.
Du siehst, daß ich ein Sucher bin.
Einer, der hinter seinen Händen
Verborgen geht und wie ein Hirt;
(mögst du den Blick der ihn beirrt,
Den Blick der Fremden von ihm wenden).
Einer der träumt, dich zu vollenden
Und: daß er sich vollenden wird.
Selten ist Sonne im Sobór.
Die Wände wachsen aus Gestalten,
Und durch die Jungfraun und die Alten
Drängt sich, wie Flügel im Entfalten,
Das goldene, das Kaiser-Tor.
An seinem Säulenrand verlor
Die Wand sich hinter den Ikonen;
Und, die im stillen Silber wohnen,
Die Steine, steigen wie ein Chor
Und fallen wieder in die Kronen
Und schweigen schöner als zuvor.
Und über sie, wie Nächte blau,
Von Angesichte blaß,
Schwebt, die dich freuete, die Frau:
Die Pförtnerin, der Morgentau,
Die dich umblüht wie eine Au
Und ohne Unterlaß.
Die Kuppel ist voll deines Sohns
Und bindet rund den Bau.
Willst du geruhen deines Throns,
Den ich in Schauern schau.
Da trat ich als ein Pilger ein
Und fühlte voller Qual
An meiner Stirne dich, du Stein.
Mit Lichtern, sieben an der Zahl,
Umstellte ich dein dunkles Sein
Und sah in jedem Bilde dein
Bräunliches Muttermal.
Da stand ich, wo die Bettler stehn,
Die schlecht und hager sind:
Aus ihrem Auf – und Niederwehn
Begriff ich dich, du Wind.
Ich sah den Bauer, überjahrt,
Bärtig wie Joachim,
Und daraus, wie er dunkel ward,
Von lauter Ähnlichen umschart,
Empfand ich dich wie nie so zart,
So ohne Wort geoffenbart
In allen und in ihm.
Du läßt der Zeit den Lauf,
Und dir ist niemals Ruh darin:
Der Bauer findet deinen Sinn
Und hebt ihn auf und wirft ihn hin
Und hebt ihn wieder auf.
Wie der Wächter in den Weingeländen
Seine Hütte hat und wacht,
Bin ich Hütte, Herr, in deinen Händen
Und bin Nacht, o Herr, von deiner Nacht.
Weinberg, Weide, alter Apfelgarten,
Acker, der kein Frühjahr überschlägt,
Feigenbaum, der auch im marmorharten
Grunde hundert Früchte trägt:
Duft geht aus aus deinen runden Zweigen.
Und du fragst nicht, ob ich wachsam sei;
Furchtlos, aufgelöst in Säften, steigen
Deine Tiefen still an mir vorbei.
Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht,
Dann geht er schweigend mit ihm aus der Nacht.
Aber die Worte, eh jeder beginnt,
Diese wolkigen Worte, sind:
Von deinen Sinnen hinausgesandt,
Geh bis an deiner Sehnsucht Rand;
Gieb mir Gewand.
Hinter den Dingen wachse als Brand,
Daß ihre Schatten, ausgespannt,
Immer mich ganz bedecken.
Laß dir Alles geschehn: Schönheit und Schrecken.
Man muß nur gehn: Kein Gefühl ist das fernste.
Laß dich von mir nicht trennen.
Nah ist das Land,
Das sie das Leben nennen.
Du wirst es erkennen
An seinem Ernste.
Gieb mir die Hand.
Ich war bei den ältesten Mönchen, den Malern und Mythenmeldern,
Die schrieben ruhig Geschichten und zeichneten Runen des Ruhms.
Und ich seh dich in meinen Gesichten mit Winden, Wassern und Wäldern
Rauschend am Rande des Christentums,
Du Land, nicht zu lichten.
Ich will dich erzählen, ich will dich beschaun und beschreiben,
Nicht mit Bol und mit Gold, nur mit Tinte aus Apfelbaumrinden;
Ich kann auch mit Perlen dich nicht an die Blätter binden,
Und das zitterndste Bild, das mir meine Sinne erfinden,
Du würdest es blind durch dein einfaches Sein übertreiben.
So will ich die Dinge in dir nur bescheiden und schlichthin benamen,
Will die Könige nennen, die ältesten, woher sie kamen,
Und will ihre Taten und Schlachten berichten am Rand meiner Seiten.
Denn du bist der Boden. Dir sind nur wie Sommer die Zeiten,
Und du denkst an die nahen nicht anders als an die entfernten,
Und ob sie dich tiefer besamen und besser bebauen lernten:
Du fühlst dich nur leise berührt von den ähnlichen Ernten
Und hörst weder Säer noch Schnitter, die über dich schreiten.
Du dunkelnder Grund, geduldig erträgst du die Mauern.
Und vielleicht erlaubst du noch eine Stunde den Städten zu dauern
Und gewährst noch zwei Stunden den Kirchen und einsamen Klöstern
Und lässest fünf Stunden noch Mühsal allen Erlöstern
Und siehst noch sieben Stunden das Tagwerk des Bauern -:
Eh du wieder Wald wirst und Wasser und wachsendeWildnis
In der Stunde der unerfaßlichen Angst,
Da du dein unvollendetes Bildnis
Von allen Dingen zurückverlangst.
Gieb mir noch eine kleine Weile Zeit: ich will die
Dinge so wie keiner lieben
Bis sie dir alle würdig sind und weit.
Ich will nur sieben Tage, sieben
Auf die sich keiner noch geschrieben,
Sieben Seiten Einsamkeit.
Wem du das Buch giebst, welches die umfaßt,
Der wird gebückt über den Blättern bleiben.
Es sei denn, daß du ihn in Händen hast,
Um selbst zu schreiben.
So bin ich nur als Kind erwacht,
So sicher im Vertraun
Nach jeder Angst und jeder Nacht
Dich wieder anzuschaun.
Ich weiß, sooft mein Denken mißt,
Wie tief, wie lang, wie weit – :
Du aber bist und bist und bist,
Umzittert von der Zeit.
Mir ist, als wär ich jetzt zugleich
Kind, Knab und Mann und mehr.
Ich fühle: nur der Ring ist reich
Durch seine Wiederkehr.
Ich danke dir, du tiefe Kraft,
Die immer leiser mit mir schafft
Wie hinter vielen Wänden;
Jetzt ward mir erst der Werktag schlicht
Und wie ein heiliges Gesicht
Zu meinen dunklen Händen.
Daß ich nicht war vor einer Weile,
Weißt du davon? Und du sagst nein.
Da fühl ich, wenn ich nur nicht eile,
So kann ich nie vergangen sein.
Ich bin ja mehr als Traum im Traume.
Nur was sich sehnt nach einem Saume,
Ist wie ein Tag und wie ein Ton;
Es drängt sich fremd durch deine Hände,
Daß es die viele Freiheit fände,
Und traurig lassen sie davon.
So blieb das Dunkel dir allein,
Und, wachsend in die leere Lichte,
Erhob sich eine Weltgeschichte
Aus immer blinderem Gestein.
Ist einer noch, der daran baut?
Die Massen wollen wieder Massen,
Die Steine sind wie losgelassen
Und keiner ist von dir behauen..
Es lärmt das Licht im Wipfel deines Baumes
Und macht dir alle Dinge bunt und eitel,
Sie finden dich erst wenn der Tag verglomm.
Die Dämmerung, die Zärtlichkeit des Raumes,
Legt tausend Hände über tausend Scheitel,
Und unter ihnen wird das Fremde fromm.
Du willst die Welt nicht anders an dich halten
Als so, mit dieser sanftesten Gebärde.
Aus ihren Himmeln greifst du dir die Erde
Und fühlst sie unter deines Mantels Falten.
Du hast so eine leise Art zu sein.
Und jene, die dir laute Namen weihn,
Sind schon vergessen deiner Nachbarschaft.
Von deinen Händen, die sich bergig heben,
Steigt, unsern Sinnen das Gesetz zu geben,
Mit dunkler Stirne deine stumme Kraft.
Du Williger, und deine Gnade kam
Immer in alle ältesten Gebärden.
Wenn einer die Hände zusammenflicht,
So daß sie zahm
Und um ein kleines Dunkel sind -:
Auf einmal fühlt er dich in ihnen werden,
Und wie im Winde
Senkt sich sein Gesicht
In Scham.
Und da versucht er, auf dem Stein zu liegen
Und aufzustehn, wie er bei andern sieht,
Und seine Mühe ist, dich einzuwiegen,
Aus Angst, daß er dein Wachsein schon verriet.
Denn wer dich fühlt, kann sich mit dir nicht brüsten;
Er ist erschrocken, bang um dich und flieht
Vor allen Fremden, die dich merken müßten:
Du bist das Wunder in den Wüsten,
Das Ausgewanderten geschieht.
Eine Stunde vom Rande des Tages,
Und das Land ist zu allem bereit.
Was du sehnst, meine Seele, sag es:
Sei Heide und, Heide, sei weit.
Habe alte, alte Kurgane,
Wachsend und kaumerkannt,
Wenn es Mond wird über das plane
Langvergangene Land.
Gestalte dich, Stille. Gestalte
Die Dinge (es ist ihre Kindheit,
Sie werden dir willig sein).
Sei Heide, sei Heide, sei Heide,
Dann kommt vielleicht auch der Alte,
Den ich kaum von der Nacht unterscheide,
Und bringt seine riesige Blindheit
In mein horchendes Haus herein.
Ich seh ihn sitzen und sinnen,
Nicht über mich hinaus;
Für ihn ist alles innen,
Himmel und Heide und Haus.
Nur die Lieder sind ihm verloren,
Die er nie mehr beginnt;
Aus vielen tausend Ohren
Trank sie die Zeit und der Wind;
Aus den Ohren der Toren.
Und dennoch: mir geschieht,
Als ob ich ein jedes Lied
Tief in mir ihm ersparte.
Er schweigt hinterm bebenden Barte,
Er möchte sich wiedergewinnen
Aus seinen Melodien.
Da komm ich zu seinen Knien:
Und seine Lieder rinnen
Rauschend zurück in ihn.