Gedichte Seine geliebte wolte ins kloster gehen

1.
Lisippe will der erden sich entreissen /
Ihr edler geist geht zu der ruh /
Er eilt der reinen sonne zu /
Und will / was himmlisch ist / zu küssen sich befleissen /
Sie stöst die erde hin /und suchet allzu viel /
Weil sie bey fleisch und blut als engel leben will.
2.
Schau doch zuvor ein wenig noch zurücke /
Entlauff dir doch nicht vor der zeit;
Der schönen augen zärtlichkeit
Verträget nicht so bald die heissen sonnen-blicke.
Du kanst nicht Enoch seyn / noch des Elias‘ art /
Und ehe man verstirbt / wird keine himmelfahrt.
3.
Mit was hat doch die erde dich verletzet /
Du stürmest wider fleisch und blut /
Ich weiß nicht / was Lisippe thut /
Die aller regung sich verwegen widersetzet.
Wer mit sich selber kriegt / und sich zu schlagen tracht /
Vor diesen hat der sieg die krone nicht erdacht.
4.
Du bist zu schwer / der erde zu entfliehen /
Du kanst noch kein gestirne seyn.
Komm / sammle freudens-blumen ein /
Die dir als dienerin itzt selbst entgegen ziehen.
Wer ungezwungen ihm das marterthum begehrt /
Ist der erbarmung zwar / doch keines ruhmes werth.
5.
Lisippe laß die prächtigen gedancken /
Kein mensch verengelt sich doch nicht;
Vernimm was deine jugend spricht /
Und schreit itzt nicht so bald aus deinen freudenschrancken /
Da tausend lieblichkeit auff süsse spiele denckt /
Und lust-rubinen dir zu deinem schmucke schenckt.
6.
Geneuß doch noch der welt ambrirte früchte /
Der himmel bleibt dir unverzagt.
Wer allzu kühn zur sonne jagt /
Dem macht ein scharffer strahl den heissen flug zunichte.
Mensch und auch engel hat uns zeitlich kund gethan /
Daß man im paradieß und himmel fallen kan.


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