Gedichte Graf Ludwig an seine Gemahlin

Ein Brief aus frembder Luft doch von bekanten Händen /
Begrüßt und küßt dich itzt / so gut er küssen kan /
Es heißt die grüne Treu mich dieses übersenden /
Ich weiß du nimbst es auch mit solchen Hertzen an.
Ich darf dir nicht zuviel von meinem Namen sagen
Die kleinste Silbe hier entdeckt dir wer ich bin /
Sie denckt mein Hertze dir / wo möglich / fürzutragen /
Und reicht / so gut sie kan / auch diß im Briefe hin.
Du kenst die alte Schrifft und auch die alten Sinnen /
Die noch kein Saracen hat in die Fessel bracht /
Ich schwere / daß sie dich so eifrig lieben können /
Als in dem HochzeitTag und in der ersten Nacht.
Du weist die Liebe läst sich nicht durch Meilen messen
Sie wächst nicht ungemein in unbekanter Luft.
Was recht gegründet ist / das läst sich nicht vergessen /
Und ihre Wurtzel dringt biß in die kalte Gruft.
Durch Hitze kan sie nicht wie Blum und Gräser sterben
Die Kälte hemmt sie nicht wie einen Wasserfluß /
Die Nässe weiß sie nicht wie Farben zuverderben /
Man schaut wie Staal und Stein ihr oftmahls weichen muß.
Die wahre Freundschafft kan kein Saracen beschneiden /
Es stöhrt der Alcoran getreue Liebe nicht /
Es kan der Mahomet Sie in dem Tempel leiden /
Und keine Satzung ist / so ihr zuwieder spricht.
Mein Schatz / itzt heisset mich ein Zufall klährer schreiben /
Es mindert wie es scheint / sich nun das alte Joch /
Ich kan mit mehrer Lust itzt meine Rinder treiben /
Und mein Gelücke blüht auch untern Heyden noch.
Ein Edles Weib von mehr als Fürstlichen Geblüthe /
(Ich weiß nicht ob sie mir Weib oder Engel ist)
Die hat vor kurtzer Zeit mit traurigem Gemüthe
Mein schweres Joch betracht / und meine Noth erkießt.
Es schien / sie ward durch mich und meine Qvaal gebunden /
Kein Striemen lief mir auf / den sie nicht auch empfand /
Die Schäden so ich trug die wurden ihr zur Wunden /
Und meine Dinstbarkeit war ihr gemeines Bandt.
Der Schweiß auf meiner Brust hat Thränen ihr erreget /
Mein Seuffzer hat bey ihr die Wehmuth angesteckt /
Und meine Knechtschafft hat sie in ein Joch geleget /
Das nach der Tugend reucht / und keinen Hals befleckt.
Sie hat gar manchesmahl in einem schlechten Kleide /
In Sicherheit zugehn / mich armen Knecht besucht /
Die Tugend war ihr Gold / die Wehmuth ihre Seyde /
Und ihr erhitzter Wunsch bestand in meiner Flucht.
Sie half mir manchesmahl die faulen Ochsen treiben /
Wann sie zugegen war / so hatt‘ ich halbe Müh /
Sie ließ mich leichtlich nicht zu matt und hungrig bleiben /
Doch wünscht ich ihre Kost noch nicht so sehr als Sie.
Ihr Fürtuch hat mir oft den sauren Schweiß vertrieben /
Und ihr gemeinstes Wort war diß: Dich laß ich nicht.
Wie solt ich / liebstes Weib / nicht eine Seele lieben /
Die mich dir wiederbringt und meine Fessel bricht?
Nicht meine / daß mich hier ein Geist der Wollust treibet
Zeit und auch Ungelück hat solches längst verjagt.
Denn wem der Tugend Stam recht an der Brust bekleibet /
Der höret leichtlich nicht / was ihm ein Laster sagt.
Itzt soll ich ihren Dienst durch meinen Leib belohnen /
Die Müntze / so sie sucht / ist meines Mundes Kuß /
Sie acht mein Hertze mehr als ihres Vatern Cronen /
Und liebst du deinen Mann so lieb auch ihren Schluß.
Ich werd in künfftig sie mit deinem Namen nennen /
Scheint dir die Zahlung groß / die Schuld ist ungemein /
Wer nur vernünfftig ist muß diß mit mir bekennen /
Der Gott so Zucht befiehlt / heist uns auch danckbar seyn.
Dein Glimpf muß ihre Treu wie sichs gebührt bezahlen /
Daß du mich schauen wirst hat ihre Hand gethan /
Dir bleibet doch der Kern / sie sättigt sich mit Schalen /
Du hast das beste Brodt / sie nimt die Brocken an.
Kan sie von wegen mein des Vatern Hof verlassen /
Und führt mich wiederumb zu Hause freudig ein /
So mustu warlich sie als Schwester auch umfassen /
Und eben so wie mir auch ihr gewogen seyn.
Doch Eyfer wird bey dir sich nicht ereignen können /
Denn dieses ist ein Trieb der unsre Geister kränckt /
Wenn etwas neben uns sich heimlich will entspinnen /
So dieses was man liebt / uns zuentziehen denckt.
Ein frembdes Weib so dich und mich nicht weiß zu nennen
Verläst des Vatern Burg und ihrer Mutter Schoß /
Und macht / was selten ist / du wirst es ja erkennen /
Nach langer Dinstbarkeit mich meiner Bande loß.
Die Rauigkeit der Luft / Stein / Wasser / Berg und Hecken /
Wild / Regen / Nebel / Schnee / Wind / Hagel / Eiß und Frost /
Durst / Hunger / Finsternüß / Sand / Wüste / Furcht und Schrecken /
Trieb ihren Fürsatz nicht aus der getreuen Brust.
Sie läst die Crone stehn / mit Lust dich zu umkräntzen /
Sie will in Armuth seyn zufüllen deine Handt /
Sie trägt der Aeltern Zorn / sie weicht von ihren Gräntzen /
Und läst / dir guts zuthun / ihr rechtes Vaterlandt.
Du must / geliebtes Weib / das Hertze mit ihr theilen /
Empfähst du mich / so nim auch meinen Leitstern an /
Und dencke: daß ich kan zu Weib und Kindern eilen /
Hat diese Frembdlinge / fast mehr als ich / gethan.
Ein mehrers will ich dir bey meiner Ankunfft sagen /
Die Feder reimet sich zu vielen Reisen nicht;
Kanst du im Hertzen Treu / und Witz im Geiste tragen /
So ist der kurtze Brief dir gar genug Bericht.
Laß unterdessen mir Hertz / Hauß / und Lager offen /
Ich schreite schon im Geist bey dir mit Freuden ein;
Doch will ich auch / mein Schatz / diß ungezweiffelt hoffen /
Daß Lager / Hertz / und Haus wird vor die Frembde seyn.

Die Gemahlin an Ludwig
Es bringt der kleine Brief dir mehr getreuer Grüsse /
Als Freude sich itzund in meinem Hertzen regt /
Ich schwere / daß ich dich recht in Gedancken küsse /
Und meine Seite sich an deine Seite legt.
Verzeihe / Liebster Schatz / doch meinen schlechten Schreiben /
Daß Wort und Zeilen nicht in rechter Ordnung stehn;
Wem Freud und Zuversicht die schwachen Finger treiben /
Dem wil die Feder nicht in gleicher Wage gehn.
Bald lesch‘ ich etwas aus / bald mach‘ ich neue Zeilen /
Bald werd‘ ich halb entzuckt / bald schlaf ich drüber ein /
Bald wird die Feder faul / bald wil sie fertig eilen /
Und heist offt einen Kleck an statt der Wörter seyn.
Ich weiß nicht wie mir ist / und kan mir selbst nicht trauen /
Ob mein Gesichte hier den wahren Zweck erkiest?
Ob meine Hoffnung auch recht feste weiß zubauen?
Ob nicht ein schlechter Dunst itzund mein Grundstein ist?
Bald reiß‘ ich wiederum aus diesen falschen Schrancken /
Und schaue deinen Brieff mit scharffen Augen an /
Umbschlüsse mit Vernunfft die flüchtigen Gedancken /
Weil solche Klarheit ja mich nicht verblenden kan.
Ich schaue klar genug und küsse mein Gelücke /
So itzt mit seiner Hand die öden Nächte stöhrt /
Ich spühre wiederum des Himmels warme Blicke /
Der dich mir auf das neu aus seiner Schoß verehrt.
Was hab ich nicht bißher in Einsamkeit erlitten?
Was hat mir nicht vor Angst gefesselt Geist und Sinn?
Was hat mich nicht vor Furcht zu mancher Zeit bestritten?
Daß ich / wie mich bedeucht / mir fast nicht ehnlich bin.
Wie hab ich manchesmahl nach deinem Abereisen /
Wenn ich erwachet bin / die Hand nach dir gestreckt?
Wie offtmahls hat ein Traum dich mir in Band und Eisen
Erschrecklich fürgestellt / und denn mich aufgeweckt?
Bald hab‘ ich schlaffende gemeinet dich zuküssen /
Und meinen Irrthum denn aus leerer Lufft vermerckt /
Man schaut die Menschen ja am allermeisten büssen /
In dem der Mangel uns die alte Lust versterckt.
Bald hat dein HochzeitKleid / bald haben deine Ringe
Die Pfänder erster Gunst / mir Zähren ausgeprest /
Kein Mensch berichte mich / wie dir es noch ergienge /
Ich schrieb ohn alle Frucht nach Nord / Süd / Ost und West.
Wenn nur ein Thor aufgieng / so meint‘ ich dich zu hören /
Was eine Tasche trug / das must ein Bothe seyn /
Ich ließ mich iedes Kind / ja ieden Ruf bethören /
Und blieb doch iederzeit verwittibt und allein.
Wenn ich zu Tische gieng und schaute deine Stelle /
Da wir uns offt erfüllt mit Speisen Wein und Lust /
So ward das Zimmer mir zu einer rechten Hölle /
Zu Galle ward mein Wein / zu Wermuth meine Kost.
Der freudenreichen Lust verliebtes Angedencken
War diß / so meinen Geist recht auff die Folter nahm /
Nichts konte mich so sehr in meinem Hertzen kräncken /
Als wenn dein Bildnüß mir in das Gesichte kam.
Der Kinder stetes Wort: Wo muß der Vater bleiben?
War mir ein herber Stoß / den meine Seel empfing /
Des Jammers ist zuviel / ich kan dir nicht beschreiben /
Was vor ein harter Wind durch meine Geister ging. ‚
Itzt ziehn die Wolcken weg / mein Stern begint zu scheinen /
Der Himmel streicht mein Hauß mit lichten Farben an /
Und er verbeut mir fast dich ferner zubeweinen /
Ach daß ich dich mein Schatz nicht bald umfassen kan!
Was aber schreibest du / und trachtest itzt zuwissen /
Ob die ErlösungsArth mir auch verdrießlich fällt?
Wie solt ich nicht die Hand zu tausendmahlen küssen /
So mir mein Bette füllt / und dich in Freyheit stellt?
Ich will sie warlich nicht nur vor ein Weib erkennen /
Die bloß in Fleisch und Bluth / wie ich und du besteht /
Ich will sie ungescheut stets einen Engel nennen /
Der nur zu unserm Schutz mit uns zu Bette geht.
Ich will mich ihr als Magd / zu ihren Füssen legen /
Ihr wollen soll forthin mir ein Gesetze seyn /
Ich halte sie in Ernst vor unsers Hauses Seegen /
Und geb‘ Ihr selbst mein Hertz zu einem Zimmer ein.
Wie solt‘ ich thörichte die Schale nicht verehren /
Darauf der Himmel dich mir überreichen will?
Mein Ohre soll ihr Wort wie die Gebothe hören /
Für dem der Alten Volck auf das Gesichte fiel.
Ich will nach ihrer Arth das Lager zubereiten /
Ich laß Ihr billich halb / was sie mir gantz geschenckt /
Mein Fuß wird nur allein nach derer Wincken schreiten /
Die mir noch unbekant / doch auf mein bestes denckt.
Nun kom Geliebter Schatz! des Glückes weiche schwingen
Wo nichts verderben kan / umschlüsse deinen Leib /
Es wolle dich erfreut in diese Stelle bringen /
Da dich empfangen kan Land / Freunde / Kind und Weib.
Es müsse Sicherheit entsprüssen auf den Wegen /
Dahin du setzen must den abgematten Fuß /
Und wo du wirst dein Haubt zuruhen niederlegen /
Da rege sich zugleich der Seegensüberfluß.
Es müsse dich die Kraft gesunder Luft begleiten /
Die Dornen müssen nicht verfälschen deine Bahn /
Er lasse dich gesund in meine Stube schreiten /
Daß auf den Lippen ich die Rosen brechen kan /
Vor Freuden tritt mir itzt das Wasser ins Gesichte /
Und rollet unvermercht wie Perlen ums Papier /
Ich weiß du hält’st das Wort nicht etwan vor Getichte /
Die Silben seyn verlescht / du schaust die Zeugen hier.
Dein Leitstern sey gegrüst! doch wil ich Ihrentwegen
Auf kein zu grosses Bett‘ immittelst seyn bedacht;
Denn wird die Liebe sich mit uns zu Bette legen /
So wird der kleine Raum bald werden weit gemacht.


1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars (2 votes, average: 3,00 out of 5)

Gedichte Graf Ludwig an seine Gemahlin - Hoffmannswaldau