Gedichte Sonnet XXII

Auß dem Italienischen der edelen Poetin
Veronica Gambara; wie auch nechstfolgende sechse.
Sie redet die Augen jhres Buhlen an / den sie vmbfangen.

SO offt‘ ich ewren Glantz / jhr hellen Augen / schawe /
Bin ich in grosser Lust vertäufft so hoch vnd weit /
Daß ich mich frewen muß auch in Trübseligkeit
Vnd eusserster Fortun / in dem ich auff euch bawe.
Hergegen schätz‘ ich mich für die betrübste Frawe /
Wann jhr nicht wie zuvor geneigt vnd freundlich seyd:
Ich bin mir selber gram / mein Leben ist mir leydt /
Dieweil ich euch nicht hab‘ auff die ich einig trawe.
Jhr jrrdisches Gestirn‘ / jhr sterblichen Planeten /
Jhr meine Sonn‘ vnd Mond‘ / jhr / die jhr mich könt tödten /
Ohn euch ist alle Lust nichts als ein blosses Bild.
Was wundert jhr euch dann / daß ich zu euch muß eilen /
Mein bester Trost / es fleucht ein jeder für den Pfeilen
Deß Todes / wieder welch‘ jhr seyd mein starcker Schild.


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Gedichte Sonnet XXII - Opitz